Gemischtes Doppel für Europa

Berlin/Brüssel (ddp). BundeskanzlerinAngela Merkel (CDU) verteidigt die Besetzung der neuen Doppelspitze für Europa mit weitgehend unbekannten Politikern. «Geben sie den Leuten einfach die Chance», forderte Merkel amFreitag in Berlin und erhielt dafür fraktionsübergreifend Rückendeckung von vielen EU-Parlamentariern. Kritische Töne kamen derweil von der Bundestagsopposition. Grüne undLinke werteten die Benennung als verpasstes Aufbruchssignal der Europäischen Union.

In Brüssel hatten sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend auf ihrem Sondergipfel auf den belgischen konservativen Premier Herman Van Rompuy als ersten ständigenRatspräsidenten und die britische EU-Handelskommissarin Catherine Ashton als neue Außenministerin verständigt. Die Amtszeit des Präsidenten beträgt zweieinhalb und die derAußenministerin fünf Jahre. Ashton wird laut Vertrag auch Vizepräsidentin der neuen EU-Kommission.

«Wir haben eine Entscheidung gefällt, die sicherlich dem Konsens einen sehr hohen Stellenwert gegeben hat», sagte Merkel. Dabei habe es keine Verpflichtung zum Konsens gegeben, dennnach dem Lissabon-Vertrag hätte auch mit Mehrheit entschieden werden können. «Aber die erste Entscheidung – das war der überwältigende Wunsch – sollte eine sein, die vonallen mitgetragen werden kann», sagte die Bundeskanzlerin.

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin (FDP), forderte ebenfalls eine faire Chance für die Kandidaten. Beide Politiker könnten «ohne einenvorauseilenden Starruhm» in den kommenden Jahren die neuen und noch nicht festgelegten Aufgabengebiete prägen, sagte Koch-Mehrin. Insofern sei es kein Nachteil, dass sie bisher überdie nationalen Grenzen hinaus kaum bekannt seien. Allerdings müsse langfristig die «Hinterzimmerpolitik» bei der Nominierung von EU-Spitzenposten aufhören.

Der Fraktionschef der Sozialisten im Europaparlament, Martin Schulz, bezeichnete die erste Benennung des EU-Spitzenduos als «den einzig möglichen Kompromiss». Weder derluxemburgische Premier Jean-Claude Juncker noch der frühere italienische Außenminister Massimo D´Alema seien für die Spitzenpositionen durchsetzbar gewesen. Unter den gegebenenUmständen sei er «mit der Wahl beider Personen zufrieden». Sie hätten eine faire Chance verdient.

Die Linke warf dem EU-Gipfel derweil vor, nationale Machtoptionen statt europäische Interessen vertreten zu haben. Mit Van Rompuy sei bewusst «kein politisches Schwergewicht»ausgesucht worden, bemängelte Parteivorstandsmitglied Helmut Scholz. Gleiches gelte für Ashton. Die Auswahl sei nach Parteienproporz und nicht nach Qualifikation erfolgt. Damit habe die EUihren Anspruch verfehlt, mit den beiden neuen Posten «eine Adresse für Europa» zu schaffen.

Auch die Grünen sehen ein «neues EU-Duo, das Merkel nicht die Europa-Show stiehlt». Van Rompuy habe zwar Großartiges zur Aussöhnung der politischen Lager in Belgienerreicht, doch werde er «eher Moderator als starker Präsident der EU sein», sagte Fraktionschefin Renate Künast. Sie warf zugleich Ashton mangelnde Erfahrung imaußenpolitischen Geschäft vor. Ein Jahr als EU-Handelskommissarin sei zu wenig angesichts der Stellenbeschreibung der Hohen Vertreterin für die Außenpolitik.

Für den CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok indes ist die Benennung des belgischen Konservativen «nicht so tragisch». Der erste ständige EU-Ratspräsident habe mehr einerepräsentative Funktion, auch wenn er die EU-Gipfel leite, sagte Brok. Zu kritisieren sei hingegen Ashton, die «bisher nicht durch große Expertise aufgefallen» sei. Derstellvertretende Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), fügte hinzu, erst müsse die neue EU-Außenministerin Ashton das Parlament überzeugen:«Da kriegt keiner einen Blankoscheck.»

Übereinstimmend wurde gelobt, dass nunmehr die letzten Weichen für den EU-Reformvertrag gestellt seien. Nach der Ratifizierung durch Tschechien als letztes EU-Mitgliedsland kann der Vertragzum 1. Dezember in Kraft treten. Mit dem ständigen Ratspräsidenten wird die bislang unter den EU-Staaten halbjährlich wechselnde EU-Führung abgeschafft. Im außenpolitischenBereich werden die Kompetenzen gebündelt. Damit soll die EU künftig «mit einer Stimme» sprechen.

(ddp)

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