Zwist um AKW-Laufzeiten

Berlin (ddp-hes). Noch vor Beginn derKoalitionsverhandlungen von Union und FDP sorgt die avisierte Verlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland für Diskussionen. Der Vorschlag des Energiekonzerns RWE zur Aufteilung vonZusatzgewinnen durch Laufzeitverlängerungen stieß bei Umweltverbänden und den Grünen auf Kritik. Greenpeace und der BUND kündigten Widerstand an und appellierten an diezukünftige Bundesregierung, am Atomausstieg festzuhalten und möglichst rasch alte Meiler abzuschalten.

Die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner (CDU), die als mögliche Bundesumweltministerin gehandelt wird, kündigte an, den Atomkonzernen die Verlängerung vonKraftwerkslaufzeiten nicht leicht machen zu wollen. «Wir werden mit den Konzernen noch so manche schwierige Frage zu klären haben», sagte sie. Spannend würden die Fragen, wiedie Zusatzgewinne der Atomkraftwerke definiert und in welcher Form der Staat sie teilweise abschöpfen sollte.

Die hessische Energieministerin Silke Lautenschläger (CDU) forderte feste Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Kraftwerksbetreibern. Eine Laufzeitverlängerung müsse an dieBedingung geknüpft sein, dass ein «Großteil» der Gewinne zweckgebunden in die Erforschung erneuerbarer Energien investiert werde, sagte sie und regte an, einen unabhängigverwalteten Milliarden-Fonds zu schaffen.

RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann sagte, er rechne mit einer Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke und verwies darauf, dass technische Anlagen genutzt werden sollten,solange sie sicher seien. Er kündigte an, einen Teil des dadurch erwirtschafteten Konzerngewinns abgeben zu wollen. Im Falle einer Laufzeitverlängerung wolle er mit Bundeskanzlerin AngelaMerkel (CDU) besprechen, wie der Mehrwert in Höhe eines «dicken zweistelligen Prozentsatz» eingesetzt werden könnte.

Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn wies den Vorstoß von Großmann zurück. «Die erneuerbaren Energien brauchen und wollen keine Almosen von RWE und E.ON»,sagte sie. Der Ausbau würde durch eine Laufzeitverlängerung «massiv behindert» werden. Sie kritisierte, die Stromkonzerne säßen «an zu vielen Hebeln», diesie bei einer Verlängerung betätigen würden, weil sonst der Strompreis wegen Überkapazitäten in den Keller gehen würde.

BUND-Energieexperte Thorben Becker warnte, falls sich FDP und Union für eine Laufzeitverlängerung entscheiden sollten, müssten sie mit Protestaktionen schon während derKoalitionsverhandlungen rechnen. Längere Laufzeiten seien «kontraproduktiv», da der Atomstrom bereits jetzt die Leitungen für Strom aus erneuerbaren Energien verstopfe.Laufzeitverlängerungen bezeichnete Becker als «überflüssig» und regte an, stattdessen existierende Forschungsgelder entsprechend umzuverteilen.

Der Atomexperte von Greenpeace, Tobias Münchmeyer, verwies darauf, dass die Mehrheit der Bürger einen Atomausstieg befürworte. Er forderte Union und FDP auf, ihr Wahlergebnis deshalbnicht fehl zu interpretieren. Den Vorschlag von Großmann wies Münchmeyer als «heuchlerisch» zurück. Verlängerungen würden gleichzeitig ein «Abwürgenvon erneuerbaren Energien» bedeuten. Solche «Almosen» seien «verlogen», sagte er weiter.

Die Anti-Atom-Kampagnen «Ausgestrahlt» und «Campact» kündigten an, sich an Protestaktionen zu beteiligen. In einem Offenen Brief an die Parteivorsitzenden von CDU, CSUund FDP richteten sie sich gegen eine Aufkündigung des Atomausstiegs. Rund 25 000 Bürger hätten den Brief bereits unterschrieben, hieß es.

(ddp)

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