Berlin (ddp). Nach dem tödlichen Überfall aufeinen Geschäftsmann in der Münchner S-Bahn ist eine Debatte über schärfere Sicherheitsvorkehrungen und den Umgang mit Jugendkriminalität entbrannt. Bundeskanzlerin AngelaMerkel (CDU) sagte, der Staat dürfe vor diesem Phänomen nicht kapitulieren. Die Lösung der Probleme mit der Jugendkriminalität sei «eine der größtenHerausforderungen, vor der der Staat steht». Merkel und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderten eine umfangreichere Videoüberwachung. Die Eisenbahnergewerkschaft Transnetverlangte mehr Personal auf den Bahnhöfen und in den Zügen.
Merkel sagte, dass der Staat den öffentlichen Raum schützen müsse, Straßen, Plätze, Bahnhöfe müssten sicher sein. «Wenn die Bürger den Eindruckgewinnen, dass der öffentliche Raum nicht geschützt ist, dann werden auch weniger Zivilcourage zeigen und leider wegsehen», fügte Merkel hinzu. Es führe kein Weg daranvorbei, die Personalstärke bei Polizei und Bundespolizei zu vergrößern. «Unsere Sicherheitskräfte müssen Präsenz zeigen.» Die Kanzlerin betonte, dass dieöffentliche Sicherheit ein genauso hohes Gut sei wie die soziale Sicherheit.
Eine Verschärfung des Jugendstrafrechts lehnte die CDU-Vorsitzende ab. «Ich bin zurückhaltend, das Jugendstrafrecht weiter zu ändern.» Der Staat müsse jedochmöglichst früh eingreifen, «wenn etwas schief läuft». Aus ihrer Zeit als Jugendministerin wisse sie, dass man auf Kinder unter 14 Jahren noch viel leichter Einfluss nehmenkönne als auf ältere Jugendliche.
Bayerns Innenminister Herrmann forderte laut «Welt am Sonntag» den für die Bahn zuständigen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) in einem Brief auf, eine«flächendeckende Videoüberwachung in S-Bahnen und an S-Bahnhöfen» einzuführen. Herrmann kritisierte die Lücken bei der Videoüberwachung in München undNürnberg als nicht hinnehmbar. In dem Schreiben an Tiefensee heißt es dem Blatt zufolge, dass von den 238 in München eingesetzten S-Bahn-Zug-Garnituren lediglich 105 S-Bahn-Zügemit Videokameras ausgerüstet seien. In Nürnberg würden weder die S-Bahnhöfe noch die S-Bahn-Züge überwacht.
Der Vorstand der Eisenbahnergewerkschaft Transnet, Reiner Bieck, kritisierte, dass eine «hektische Diskussion über Videokameras und Notrufsäulen» nicht ausreiche. Diekönnten zwar Hilfe organisieren, aber nicht leisten. «Hilfe muss von Menschen kommen, die dafür ausgebildet sind», sagte Bieck. Er forderte mehr Personal auf Bahnhöfen undin Nahverkehrszügen. Obwohl die Bundesländer zuständig seien, regte er ein bundesweit einheitliches Vorgehen an. «Gewalt macht nicht an Ländergrenzen Halt, und Hilfe darfdort auch nicht Halt machen.»
Vor einer Woche war ein 50-jähriger Geschäftsmann auf dem S-Bahnhof in München-Solln von zwei Jugendlichen zu Tode geprügelt worden, nachdem er sich schützend vor vier Kindergestellt hatte.
(ddp)
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