Uelzen/Antalya (ddp). Zwei Jahre lang hat Marco Weiss aufein Urteil warten müssen. Die Hoffnung, dass vor dem Gericht im türkischen Antalya doch noch alles positiv ausgehen wird, hatte ihm und seiner Familie bis zuletzt Kraft gegeben. Ganz so kames nun doch nicht: Statt des ersehnten Freispruchs wurde der 19-Jährige aus dem niedersächsischen Uelzen am Mittwoch wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Gefängnisstrafe von zweiJahren, zwei Monaten und 20 Tagen verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zwar ist es nicht der erhoffte Freispruch, aber immerhin ging mit dem Urteil ein zwei Jahre dauerndernervenaufreibender Prozess um den jungen Mann aus Niedersachsen vor einem türkischen Gericht zu Ende.
Begonnen hatte alles am 10. April 2007 nach einem Discoabend, der für den damals 17-Jährigen und die 13-jährige Britin Charlotte in einem Hotelzimmer in Side endete. Zwei Tagespäter wird Marco festgenommen. Der Prozess gegen ihn wird am am 6. Juli 2007 eröffnet. Er spricht von gemeinsamen Zärtlichkeiten, sie von sexueller Belästigung.
Die Verhandlung wird immer wieder vertagt und zieht sich hin. Marco bleibt in einem türkischen Gefängnis in Haft – 247 Tage lang. Erst am 14. Dezember 2007 kommt er frei und kehrt nachDeutschland zurück.
In Deutschland hatte es immer wieder öffentliche Kritik an der Inhaftierung des Jungen gegeben. Umso größer war denn auch die Medienaufmerksamkeit, als Marco freigelassen wird.Tagelang wird das Haus seiner Familie in Uelzen von Journalisten belagert. Doch der Jugendliche hat sich mit seiner Familie zurückgezogen. In einem Fernsehinterview redet er dann doch nochüber seine Haft in der Türkei.
Trotz der Freilassung geht der Prozess weiter – und scheint kein Ende zu nehmen. Zum nächsten Verhandlungstermin am 1. April 2008 erscheint Marco nicht mehr in Antalya. Seine Anwälte macheneine medizinische Empfehlung des Therapeuten geltend. Derweil reiht sich in Antalya weiter Prozessvertagung an Prozessvertagung. Weiss reist auch an den folgenden Prozesstagen nicht mehr nachAntalya. Eine Vorladung liegt aber auch nicht vor.
Für den Jugendlichen ist die Situation belastend. Auch wenn er auf freiem Fuß ist, trägt er nach Angaben seiner Familie «schwer an seinem Schicksal». «KeinAußenstehender kann sich ausmalen, welche Ängste und Befürchtungen Marco bereits durchgestanden hat und auch heute noch durchstehen muss», heißt es.
Schließlich gibt es im Mai einen Hoffnungsschimmer. Die Lüneburger Staatsanwaltschaft, die ebenfalls gegen Marco ermittelt hatte, stellt die Ermittlungen ein. Es fehle ein hinreichenderTatverdacht, um Anklage zu erheben, heißt es. In der Türkei findet indessen auch ein medizinischer Bericht, der für Weiss entlastend ist, kein Gehör. Stattdessen plädiertdie Staatsanwaltschaft in Antalya am 5. Juni auf schuldig.
Seine Zeit im türkischen Gefängnis hat der Junge versucht, in dem Buch «Marco W. – Meine 247 Tage im türkischen Knast» aufzuarbeiten, das Ende vergangenen Jahres erschien.Auch wenn die größte Anspannung mit dem Urteil überstanden sein dürfte, von Normalität ist die Familie wohl noch lange weit entfernt. Wegen der traumatischen Erlebnissen istMarco seit einiger Zeit in ärztlicher Behandlung. Vergessen wird er den Albtraum um seine erste Ferienliebe wohl nie.
(ddp/Foto: Sascha Weiss)