Abzug mit Anstand

Berlin (ddp). Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistanrückt nach dem umstrittenen NATO-Luftschlag von Kundus stärker in den Fokus des Bundestagswahlkampfes. So legte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier am Wochenende erstmals einenAbzugsplan beginnend ab 2011 vor. Die Linke sprach von einem «Wahlkampfgerede». Derweil stellte sich Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan hinter den deutschen Oberst, derden Angriffsbefehl erteilt hatte.

«Wir waren und sind in Afghanistan, um Terroranschläge auch bei uns zu verhindern. Aber wir wollen nicht auf ewig bleiben», betonte Steinmeier. In Verhandlungen werde es nun darumgehen, «wie lange unsere und die internationalen Truppen noch da sein müssen» und wie viele afghanische Soldaten und Polizisten noch ausgebildet werden müssen. «Dannkönnen unsere Soldaten nämlich zurück.»

Laut «Spiegel» hat Steinmeier dafür einen Zehn-Punkte-Plan erarbeitet. Darin werden Bedingungen für das Ende des deutschen Engagements genannt und eine Frist bis 2013 fürihre Erfüllung gesetzt. 2011 bereits könnte demnach der Bundeswehrstützpunkt in nordostafghanischen Faisabad aufgegeben und an die Afghanen übergeben werden.

Linksfraktionschef Gregor Gysi hielt Steinmeier vor, Wahlkampf zu betreiben. Afghanistan tauge aber nicht für Wahlkampfgerede. Seit acht Jahren führe auch die Bundeswehr «Krieg»in dem Land. Es sei höchste Zeit, die deutschen Soldaten abzuziehen.

Oberst Georg Klein, der den Luftangriff auf zwei von der Taliban entführte Tanklaster bei Kundus befohlen hatte, verteidigte sein Verhalten in der Nacht zum 4. September. Die Entscheidungkönne er vor seinem Gewissen und der afghanischen Bevölkerung verantworten, sagte Klein. Rückendeckung bekam er von Generalinspekteur Schneiderhan, der erhebliche Gefahren auchfür die Bundeswehr abgewendet sah.

Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) befürchtet indes, dass der Luftangriff erhebliche Folgen für den weiteren Wiederaufbau in Afghanistan haben werde. Deutschlandhabe «auf den Strategiewechsel der US-Regierung und der NATO zugunsten der Vermeidung von zivilen Opfern gedrängt». Nun drohe der vom deutschen Oberst veranlasste Luftschlag diesenStrategiewechsel im Bewusstsein der Menschen zu konterkarieren. Die Arbeit der Entwicklungshelfer werde jetzt «noch schwieriger».

Die Meinungen darüber, inwieweit der Bundeswehreinsatz in Afghanistan von den Parteien zum Thema im Bundestagswahlkampf gemacht werden soll, gehen bei der Bevölkerung auseinander. Einer«Focus»-Umfrage zufolge sind 48 Prozent gegen eine Thematisierung und 47 Prozent dafür. Unter den Jüngeren (18-24 Jahren) hielten allerdings 65 Prozent den Einsatz am Hindukuschfür ein angemessenes Wahlkampfthema, bei den über 64-Jährigen waren es nur 36 Prozent.

(ddp)

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