Brok fordert Ende des Afghanistan-Einsatzes

Hannover (ddp). Nach dem von der Bundeswehr befohlenenumstrittenen NATO-Luftschlag in Nordafghanistan mehren sich die Stimmen, die einen konkreten Abzugszeitraum fordern.

Die Bundesregierung plant laut einem Zeitungsbericht einen schrittweisen Rückzug von 2015 an. Wie die «Hannoversche Allgemeine Zeitung» am Dienstag unter Berufung aufRegierungskreise in Berlin schreibt, muss bis zu diesem Zeitpunkt in Afghanistan eine «selbsttragende Sicherheit» hergestellt werden. Den Zeitrahmen für die Beendigung des Einsatzeswolle die Bundesregierung auf der europäischen Afghanistan-Konferenz noch in diesem Jahr erörtern.

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer erwartet derweil von der nächsten Bundesregierung «die Vorlage einer Strategie für einen Truppenabzug derBundeswehr aus Afghanistan». Dabei müsse die Bundesregierung «von sich aus» aktiv werden und dürfe nicht nur internationale Entwicklungen abwarten, sagte er.

Nach Auffassung des Europa-Abgeordneten Elmar Brok (CDU) hingegen sollte der internationale Militäreinsatz schon so bald wie möglich beendet werden. «Wir brauchen einglaubwürdiges Ausstiegsszenario», sagte er. «Selbst ein Zeitraum von noch fünf Jahren ist zu lang», betonte das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses desEuropäischen Parlaments. Zum geeigneten Zeitpunkt sagte Brok: «Man wird nicht so lange warten können, bis sich Afghanistan zu einem demokratischen Staat nach unseren Standardsentwickelt hat.» Voraussetzung sei vielmehr, dass die eigenen Sicherheitsorgane in der Lage seien, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), übte unterdessen heftige Kritik an der Debatte über einen Rückzugstermin. DieseÄußerungen seien «gefährlich für die deutschen Soldaten», sagte Schmidt. Wenn die Taliban merkten, dass die Diskussion über einen schnellen Abzug lauter werde,seien die nächsten Anschläge schon absehbar.

Die Grünen verstärken derweil den Druck auf die Bundesregierung. Wer wie Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) eisern daran festhalte, der Angriff sei richtig gewesen,«verspielt in Afghanistan jedes Vertrauen in die internationalen Soldaten und beschädigt den Bundeswehr-Einsatz nachhaltig», sagte Grünen-Chef Cem Özdemir.

Merkel forderte unterdessen erheblich mehr Anstrengungen bei der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte durch die internationale Gemeinschaft. «Wir müssen jetzt Tempomachen», sagte Merkel am Montagabend in Berlin. «Wir müssen schauen, dass wir in den nächsten fünf Jahren wirklich einen massiven Schritt vorankommen», mahnte Merkel.Die Kanzlerin fügte hinzu: «Wir müssen auch den politisch Verantwortlichen klarmachen, dass wir da nicht auf immer und ewig sind.»

Der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Walter Kolbow, rechnet mit einer erhöhten Gefahrenlage für die deutschen Soldaten. Es sei zu befürchten, dass es „in naher Zukunft zuRacheakten gegen unsere Soldaten in Afghanistan kommt». Zugleich lehnte er einen festen Abzugstermin ab, wie ihn Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Wochenende für 2015 insGespräch gebracht hatte.

Der Luftschlag beschäftigt am Vormittag auch den Bundestag in Berlin. Zu Beginn der Sondersitzung (11.00 Uhr) will Merkel eine Regierungserklärung abgeben. Anschließend ist eineAussprache im Parlament geplant.

Jung schließt inzwischen zivile Opfer bei dem NATO-Luftschlag nicht mehr aus. Einen vorläufigen NATO-Bericht, der von mehreren zivilen Opfern spricht, dementierte er am Montagabend im ZDFnicht. Nach Sender-Informationen hat eine Untersuchungskommission der NATO einen geheimen Berichtsentwurf erarbeitet, der auch dem Verteidigungsministerium vorliegt. Darin wird die Zahl der Toten undVerletzten mit 90 beziffert. Die Zahl der Toten schwanke zwischen 70 und 78. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit seien unter den Getöteten und Verletzten zahlreiche Zivilisten, hießes.

(ddp)

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