Gelsenkirchen (ddp-nrw). Was für Islamforscher undFußballexperten eine läppische Posse um ein vielleicht ein wenig albernes Vereinslied ist, beschäftigt nun die Behörden. Wegen der Proteste gegen eine angeblich islamfeindlichePassage im Vereinslied des FC Schalke 04 ermittelt seit Dienstag der Staatsschutz. Es gebe bisher aber «keine konkreten Drohungen» gegen Angehörige des Fußballvereins, sagteein Polizeisprecher in Gelsenkirchen am Dienstag auf Anfrage. Man habe jedoch ein «waches Auge» auf den Fall. Der Staatsschutz prüfe derzeit Protestbriefe an den Fußballclub.
Etliche Zeitungen in Deutschland und der Türkei berichten seit einigen Tagen über eine Aufregung, deren Urheber mittlerweile allerdings niemand mehr so richtig benennen kann. Im Mittelpunktdes medialen Interesses steht eine Strophe des Schalker Vereinsliedes: «Mohammed war ein Prophet, der vom Fußballspielen nichts versteht. Doch aus all der schönen Farbenpracht hat ersich das Blau und Weiße ausgedacht.»
Der Text stammt aus dem Jahr 1963, die Fans hatten die Strophe seit den späten 50er Jahren gesungen. Dabei war ein altes Volkslied umgedichtet worden.
Bereits vor Wochen wurden auf muslimischen Internetseiten nun empörte Artikel über das Vereinslied gesichtet. In den vergangenen Tagen erreichte die Erregung über die Verballhornungdes Propheten dann den Traditionsverein im Ruhrgebiet. Der FC Schalke will nach zahlreichen Protestmails und Drohanrufen die Liedzeilen nun mit einem Islamwissenschaftler überprüfen -voraussichtlich bis Ende der Woche. «Bis dahin wird es von uns keine weiteren Kommentare geben», sagte ein Sprecher der Königsblauen am Dienstag.
Schalke solle mit muslimischen Vereinsmitgliedern und Fans über die Hymne sprechen, riet der Islamwissenschaftler Jochen Hippler auf ddp-Anfrage. Er sei sich sicher, dass «99 Prozent derMuslime» den S04-Song «einfach nur schräg finden», so der Forscher am Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. Und dann könne derVerein seine Hymne auch unverändert lassen.
Doch egal, wer die aktuelle Debatte um das «läppische Lied» losgetreten habe, so Hippler, gleichwohl handele es sich um eine sensible Angelegenheit. Der Hymnenstreit könne«instrumentalisiert» werden, da es «reale Probleme» bei der Integration, im Zusammenleben von Inländern und Zuwanderern sowie beim Verhalten des Westens gegenüberder islamischen Welt gebe. Auch der Karikaturenstreit sei 2006 von einem «Käseblatt» in Dänemark ausgegangen – mit teils gewalttätigen Reaktionen in Ländern des NahenOstens.
Aufgrund der Sensibilität des Themas bemüht sich neben dem FC Schalke 04 nun auch die Politik darum, den Ball sprichwörtlich flach zu halten. Weder von der NRW-Landesregierung noch vomGelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) gab es am Dienstag eine offizielle Stellungnahme. Man wolle «diese sinnlose Sache nicht weiter anfachen», hieß es. DerZentralrat der Muslime hat sich als Vermittler angeboten, um die Angelegenheit zu beenden.
Die Diskussion um das Schalker Vereinslied ist nicht der erste Fall, bei dem Muslime Anstoß an deutschen Fußballclubs nehmen. Im Frühjahr 2008 stampfte Eintracht Frankfurt denEntwurf für ein neues Trikot mit einem Kreuz auf der Brust wieder ein. Das christliche Symbol war als Kampfzeichen der Kreuzzüge bei Muslimen in die Kritik geraten. Die Eintracht entschiedsich für ein anderes Trikot.
Im Fall Schalke sei der Vorwurf der Islamfeindlichkeit besonders absurd, sagte der Fußballjournalist Holger Pauler. «Wenn es einen Migrantenclub in Deutschland gibt, der immer schonEinwanderer integriert hat, dann ist es Schalke», betonte der Autor des Fußballmagazins «11 Freunde». Der Traditionsclub aus Gelsenkirchen habe seit seinerVereinsgründung sogenannte Fremde als Spieler und Fans aufgenommen. «Ohne polnische Einwanderer wäre Schalke in den 30er Jahren wohl nie deutscher Meister geworden», soPauler.
Auch die meist muslimischen türkischen Migranten in das Ruhrgebiet der 60er und 70er Jahren hätten «auf Schalke» früh eine Heimat gefunden. «In Gelsenkirchen gab essogar türkischstämmige Hooligans – so weit ging die Integration», so Pauler. Die aktuelle Debatte um die Schalke-Hymne bezeichnete er als «Posse», die im Sommerlochuntergehen werde.
(ddp)