Arcania – Gothic 4

Ein neuer namenloser Held kämpft in Arcania – Gothic 4 gegen das Böse. Getrieben von Rache hat er nur ein Ziel vor Augen: König Rohbar III muss sterben. Doch reicht diese Geschichte aus, damit Arcania auch den hohen Erwartungen an den Namen Gothic gerecht wird?

Der Anfang

Selten habe ich ein Spiel erlebt, bei dem schon die Installation zu einer wahren Herausforderung mutiert. Scheinbar ist das Spiel nur bedingt mit meinem System kompatibel. Nun gut. Ein Neustart konnte die Probleme zumindest teilweise aus der Welt schaffen. Allerdings wurde die Installation dann noch einmal zu einem Geduldsspiel. Etwas mehr als 30 Minuten benötigte Arcania um sich auf meiner Festplatte häuslich einzurichten. Dabei bestand die gesamte Zeit die Gefahr, dass sich das Installer-Programm aufhängt und ich wieder von vorne beginnen muss. Insgesamt dauerte der Prozess am Ende etwas mehr als 45 Minuten.

Die Story – Oder das was davon übrig ist

Wie von den Namensvettern Gothic zwei und drei bekannt, startet ihr auch in Arcania als namenloser Held. Genauer gesagt als namenloser Schafhirte, der mehr als nur ein Auge auf die Tochter seines Chefs geworfen hat. Wie ihr im weiteren Verlauf der Vorgeschichte erfahrt habt ihr bei einem der vielen Schäferstündchen offensichtlich nicht richtig aufgepasst und seid nicht nur beobachtet worden, sondern habt eure Freundin auch noch geschwängert. Euer Boss ist augenscheinlich nicht sonderlich erbaut darüber, dass ihr eine Liebesbeziehung mit seiner Tochter habt. Kurzum versucht ihr das Beste aus der Situation zu machen und haltet um ihre Hand an.

Ivy weckt euch aus euren dunklen Träumen – Ihr Vater ruft.

Ihr Vater hat nur leider keine sehr hohe Meinung von euch und so müsst ihr zunächst einmal drei Aufgaben erfüllen um euch als würdig zu erweisen. Zum Glück habt ihr gute Freunde die euch bei den Aufgaben so gut wie möglich unterstützen. Als ihr endlich die Zustimmung erhalten und Ivy offiziell die eine Frage gestellt habt, hat diese noch eine Bedingung: Sie möchte, dass ihr mit ihr nach der Heirat die kleine Insel auf der ihr lebt, verlasst und auf Reisen geht, bevor sie wegen ihrer Schwangerschaft dazu nicht mehr in der Lage sein wird. Doch dazu soll es nicht mehr kommen.

Um die Insel verlassen zu können sucht ihr euren Lehrmeister Diego auf und bittet ihn, euch und eure Frau mitzunehmen, wenn er die Insel verlassen wird. Diego ist skeptisch, schließlich herrscht auf Aargan Krieg. Doch wenn ihr euch ein weiteres Mal beweisen könnt indem ihr einer alten Hexe einige Kräuter bringt, ist er bereit euren Wunsch zu erfüllen. Während ihr dann allerdings dank der Hilfe dieser Frau eure magischen Talente entdeckt, landen die Truppen König Rohbars III, brennen euer Dorf nieder, töten eure Schwangere Frau Ivy und alle die ihr kanntet.

Noch ist es ein weiter Weg bis zu König Rohbar

Verbittert und wütend sinnt ihr auf Rache. Damit beginnt dann das eigentliche Spiel. Zusammen mit Diego reist ihr nach Aargan um euch dort gegen Rohbar III zu stellen. Im weiteren Verlauf lernt ihr dann aber, dass eure Rache unwichtig ist, und ihr Rohbar III helfen müsst um die Welt vor einer alten bösen Macht zu bewahren, die mit allen Mitteln versucht, wieder aufzuerstehen.

Der Spielverlauf

Mit einem Wort: Linear, extrem linear für ein RPG. Gewiss auch in anderen Rollenspielen ist eine gewisse Linearität vorhanden, aber so extrem ist es mir bisher noch bei keinem anderen RPG aufgefallen. Die Wege die der Held zurücklegen muss sind wie bei einem Shooter vorgegeben. Eine Rückkehr in bereits besuchte Gebiete ist zwar möglich, aber für den weiteren Spielverlauf unerheblich.

Die Möglichkeiten wie in Gothic 3 durch die Gegend zu ziehen und Höhlen zu erforschen fehlen gänzlich. Nun nicht ganz. Höhlen und Katakomben wird man nach diesem Spiel für eine Weile nicht mehr vermissen. Große Teile des späteren Spielverlaufs finden in eben solchen statt. Dabei ist das Schema immer dasselbe: Hack’n’Slay, oder wie von Ego-Shootern bekannt, ballern was das Zeug hält. Man muss sich durch eine Monsterladung nach der anderen kämpfen, in immer der gleichen Umgebung. Teilweise lohnt es sich dann stellenweise die Alternative des Beine in die Hand Nehmens zu praktizieren und einfach an den Monstern vorbeizurennen ohne sich auf einen Kampf einzulassen. Insbesondere bei den Minecrawlern ein sehr sinnvoller Schachzug. Auch wenn es ein paar EPs kostet so schont es doch gleichzeitig die Nerven.

Die begehbare Welt sieht nicht nur auf der Karte linear aus

Am Ende des Spieles kann man sich dann noch direkt, nachdem man den letzten Endgegner getötet hat, den Abspann betrachten oder direkt ins Hauptmenü weitergehen. Eine Rückkehr ins Spiel ist hier nicht mehr vorgesehen. Wer dennoch weiter durch die Welt von Arcania ziehen will, muss einen deutlich älteren Spielstand laden, oder kann im Prinzip auch gleich mit einem neuen Spiel von vorne beginnen.

Auch mit der Logik der Geschichte ist es auch so eine Sache. Um ehrlich zu sein, ich habe sie bis jetzt noch nicht wirklich zur Gänze verstanden. Dadurch wirkt auch der Spielverlauf etwas holprig und man fragt sich öfters: Was zum Teufel hat das hier jetzt gerade mit der Geschichte zu tun?

Die Quests

Die Quests, die unser namenloser Held bestreiten muss finden alle in dem jeweiligen gerade aktiven Gebiet statt. Abgesehen von der Hauptquest, für die man in jedem Gebiet quasi eine Aufgabe erlegdigen muss. Die Nebenquests sind durch die Bank recht einfallslos gestaltet. Gehe dorthin und sammle dies, gehe dorthin und töte jene. Hinzu kommt noch, dass man fast alle Nebenquests quasi im Vorbeigehen erledigen kann, denn dank des linearen Spielverlaufs liegen diese quasi alle auf dem Weg den man so oder so gehen muss. Da man auch keine EPs mehr bekommt wenn man die Mission beim Questgeber als Erfolg meldet, lohnt es sich auch nicht wirklich noch einmal zurückzukehren, was die Linearität noch zusätzlich verstärkt. Im weiteren Verlauf des Spiels nimmt auch die Anzahl der Nebenquests ab. Diese sind am Schluss dann nur noch vereinzelt vorzufinden.

Erfahrungspunkte und Klassen

Das Skillsystem wurde von den Entwicklern von Grund auf neu gestaltet. Bei jedem Level-Aufstieg bekommt man einen gewissen Grundbonus plus einige Skillpunkte, die man auf „Fertigkeitsbäume“ seiner Wahl verteilen kann. Dadurch erhält man dann weitere Pluspunkte auf Gesundheit, Mana oder Jagdgeschick und je nach Anzahl investierter Punkte in einen Baum zusätzliche Combos und Boni. Allerdings sollte man sich hier gleich von Anfang an darauf festlegen, ob man eher der Schwertkämpfer, der Jäger oder vielleicht doch lieber der Magier sein will. Einmal vergebene Punkte können nämlich im Nachhinein nicht mehr geändert werden. Eine Kombination zweier Klassen macht wie fast immer auch hier in Arcania nicht wirklich viel Sinn, ist aber dank der Unausgegorenheit des Systems auch kein wirklicher Beinbruch.

Der Skillbaum unseres Helden

Egal für welche der drei Klassen man sich entscheidet, man wird am Ende mit keiner vor wirklich unlösbaren oder richtig großen Herausforderungen stehen. Einzig der Magier stellt einen zu Beginn noch ein wenig vor Herausforderungen. Doch dank der schnellen Stufenaufstiege wird man auch mit diesem nach kurzer Zeit kaum noch Probleme haben. Höchstens vielleicht mit den Minecrawlern, die auch hier in Arcania wieder mit die schwersten Gegner darstellen

Inventar und Crafting

Auch beim Inventar haben die Entwickler mit vielen altbekannten und bewährten Systemen gebrochen. So ist zum Beispiel ein direkter Vergleich der gerade equipten Gegenstände mit den Gegenständen, die man noch im Inventar liegen hat, nicht möglich. Man muss sich merken, welche Eigenschaften der eine Gegenstand hat und diese dann aus dem Kopf mit denen der anderen vergleichen. Ein mühsames und lästiges Verfahren. Immerhin ist die Anzahl der Gegenstände, die sich im Laufe des Spieles im Inventar ansammeln, überschaubar. So gibt es beispielsweise für jede Klasse nur zwei komplette Rüstungen, eine mittlere und eine schwere. Auch die Waffen sind zum Großteil identisch und die meisten im wesentlichen recht nutzlos beziehungsweise schwach. Somit bleibt immerhin das Inventar im Großen und Ganzen übersichtlich.

Der Aufbau und die Aufteilung des Inventars könnte besser sein

Beim Craft-System zum Schmieden von Waffen oder herstellen von Speisen und Tränken hat sich auch einiges verändert. So benötigt man bei Arcania keine Schmiedekenntnisse und auch keinen Amboss mehr um ein neues Schwert herzustellen. Man braucht auch keine Feuer, keine Kessel und auch keine Alchemietische mehr zur Herstellung von Gegenständen. Egal wo man gerade ist, kann man einfach sein Craft-Menü öffnen, ein Rezept auswählen, und sollte man die benötigten Gegenstände gerade im Inventar haben, genügt ein Klick auf „Herstellen“ und schon ist der gewünschte Gegenstand im Inventar. Die Rezepte und Anleitungen zum Herstellen von Gegenständen bekommt man in der Regel von einem Charakter im Spiel. Entweder als Belohnung für eine Quest oder man kauft es einfach.

Das Crafting System – kreativ sieht anders aus

Irgendwie fand ich hier die alten Systeme aus Gothic 3 deutlich besser und spielbelebender. Ändert man bei Arcania in den Optionen einige Einstellungen, kann man sich zwar auch an ein Feuer setzen oder in ein Bett legen, aber dies hat keinerlei Auswirkungen. Man sitzt halt am Feuer oder liegt im Bett.

Die Spielwelt und ihre Charaktere

Die Welt von Arcania ist auf den ersten Blick grandios. Eine schöne Landschaft mit satten Farben, kombiniert mit einem guten Soundtrack. Allerdings sollte man, um in den Genuss der vollen Auflösung zu kommen, über einen schnellen, aktuellen Rechner verfügen. Leider wirkt die Umgebung stellenweise grandios unterdimensioniert und durch die Linearität des Spieles ist auch der begehbare Teil der Welt letzten Endes recht überschaubar.

Unser Held im Gespräch mit Diego

Die Charaktere, denen unser namenloser Held in den einzelnen Quests begegnet, sind zum Großteil recht lieblos gestaltet worden. Es gibt etwa drei verschiedene Frauen und drei verschiedene Männer. Dazu einen Ork, einen Goblin und einen Mönch. That’s it. Es ist einfach schade wenn man sieht, dass eine Zauberin genau das gleiche Gesicht hat, wie die ermordete Frau des Helden, oder dass ein mit französischem Akzent sprechender Burgherr gleich ausschaut wie ein Gauner, dem ihr im Laufe des Spieles bereits den Garaus gemacht habt. Einzig die alten Bekannten aus früheren Gothic Teilen (Diego, Gorn, Xardas und Andere) haben mehr oder weniger individuelle Gesichter und Kleidungen.

Eigentum gibt es nicht

Arcania ist das Paradies für alle diejenigen, die schon immer tun und lassen wollten, was ihnen gerade Spaß macht, ohne Angst vor irgendwelchen Konsequenzen haben zu müssen. So schert sich zum Beispiel keiner darum, ob ihr gerade neben ihm in seinem Raum steht und seine Truhe ausräumt um ihm ein paar Sekunden später dann sein eigenes Eigentum zu verkaufen. Auch wenn ihr euch im Verlauf des Spieles für die eine oder andere Alternative entscheiden könnt, hat eure Entscheidung keinerlei Einfluss auf den weiteren Verlauf des Spieles. Warum die Entwickler dann überhaupt diese Möglichkeiten vorgesehen haben ist mir etwas schleierhaft. Sicher, sie beleben das Spiel etwas, sind aber am Ende nichts Ganzes und auch nichts Halbes.

Kampfsystem des Zufalls

Kneel down or die – Videosequenz vor einem der Endkämpfe

Auch in Sachen Kampfsystem, falls es so etwas gibt, hat Arcania zum Teil deutliche Schwächen. So scheint es eine Art von Glücksspiel zu sein, ob man nun gerade einen Heiltrank im Kampf nehmen kann oder halt nicht. Des Weiteren führt der Held seine zuvor erlernten Kombinationen teilweise relativ willkürlich durch und schlägt auch ganz gerne mal weit am Gegner vorbei. Zudem ist auch die Zwischenspeicherung mit einigen Tücken versehen. Befindet man sich gerade angeblich im Kampf, auch wenn man mutterseelenallein im Raum ist, kann man nicht speichern. „Dies ist im Kampf nicht möglich“. Verwundert muss man dann feststellen, dass ganz am Rande seines „Radars“ ein roter Feindpunkt zu sehen ist und man sich deshalb gerade im Kampf befindet, auch wenn man weit und breit niemanden sehen kann.

Ein RPG braucht Teleporter!

Wie in fast allen RPGs gibt es auch in Arcania Teleporter, damit es eben Teleporter gibt. Was diese allerdings für einen Sinn haben sollen, ist nicht so auf den ersten Blick zu erkennen. Pro Gebiet, das unser Held bereist, gibt es zwei Teleporter, die miteinander vernetzt sind. Meistens befindet sich der eine an einem zentralen Punkt, zu dem man später noch einmal zwingend zurück muss und der andere ist meistens in die Nähe des Ortes gelegt, wo man eine Aufgabe für die Hauptquest erledigen muss. So spart man pro Gebiet letzten Endes etwa fünf bis zehn Minuten Laufzeit. Das war es dann aber auch schon.

Fazit:

Vom namenlosen Hirten zum immer noch namenlosen Krieger

Das Spiel wirkt letzten Endes mehr wie ein Ego-Shooter als wie ein RPG. Ein absolut linearer Handlungsstrang, in dessen Verlauf man noch die Möglichkeit hat, quasi im Vorbeigehen langweilige und einfallslose Nebenquests zu absolvieren. Gehe dorthin und sammle dies, gehe dorthin und töte jene. Charaktere die zum Teil einfach nur plump wirken und irgendwie immer gleich aussehen in einer Welt, in der die Dimensionierung nicht immer so ganz nachzuvollziehen ist. Hinzu kommen noch Spielabschnitte wo man sich einfach nur stumpf durch eine Welle von Monstern metzeln muss, sowie eine Geschichte, die zum Teil viele Fragen offen lässt, in Verbindung mit einem doch recht abrupten Ende.

Auch die einzelnen Komponenten des Spiels wie das Skillsystem oder das Inventar, wirken zum Teil nicht richtig durchdacht und in aller Eile umgesetzt. Einige Gimmicks muss man erst in den Spieleoptionen aktiveren, damit man sie nutzen kann. Aber eigentlich hätte man sie auch ganz weglassen können, weil einen wirklichen Nutzen haben sie am Ende ja doch nicht.

Die verschiedenen Klassen unterscheiden sich in ihren Anforderungen an den Spieler höchstens noch am Anfang. Auch in Sachen Schwierigkeit wird das Spiel einem geübten RPGler auf den ersten beiden Schwierigkeitsstufen mit Sicherheit keine großen Probleme bereiten.

Trotz guter Grafik, guter Musik und zum Großteil relativ sinniger Dialoge muss ich am Ende feststellen, dass Arcania am Ende leider eine Enttäuschung darstellt. Ich hatte mir vom lang erwarteten „offiziellen Nachfolger“ von Gothic 3 deutlich mehr erwartet.

Arcania oder Two Worlds 2 ?

Arcania – Gothic 4 oder Two Worlds 2?

Bisherige Fans von Gothic haben im Vorfeld sicherlich ganz klar Arcania gerufen. Auch ich hatte zunächt große Hoffnungen an den Nachfolger von Gothic 3. Doch nachdem ich nun die Gelegenheit hatte, beide Spiele zu spielen, kann ich jedem der momentan noch vor dieser Wahl stehen sollte nur raten: Greift lieber zu Two Worlds 2.

Bilder:
(c) JoWooD.com
(cc-by-sa) Philipp Groß / RauteMusik.FM

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