Dietmar Hopp oder 50+1

Der Wechsel des Brasilianers Luiz Gustavo von der TSG 1899 Hoffenheim zum FC Bayern München wurde heftig kritisiert. Der Trainer schmiss hin und die DFL will den Transfer auf die „50+1“-Regel prüfen. Investor Dietmar Hopp verteidigt sich nun gegen die Vorwürfe.

Es brodelt in Hoffenheim. Gustavo (23) wechselt nach langer und nicht immer fairer Diskussion für eine Ablösesumme von 17 Millionen Euro von der TSG 1899 Hoffenheim zum FC Bayern München. Strahlende Gesichter bei den 3.000 Einwohner Hoffenheims: Sie können sich und ihre Gemeinde (und natürlich den kometenhaften Aufstiegs der Fußballabteilung Hoffenheims) im Kino bewundern. Der ehemalige Trainer Ralf Rangnick hat Gerüchten nach Angebote aus Liverpool und zwei Bundesliga-Mannschaften. Er verließ Hoffenheim nach einer einzigartigen Vorzeigekarriere als Trainer und Leitfigur – am Ende aber war er beides nicht mehr so richtig. Doch der Reihe nach, rollen wir die Geschichte der TSG auf.

Nach den Sternen gegriffen

Wir schreiben das Jahr 1999, in Hoffenheim wird das „Dietmar-Hopp-Stadion“ eingeweiht. Namensgeber Dietmar Hopp ist milliardenschwer und gleichzeitig Geldgeber für das Stadion. Beim Eröffnungsspiel trifft die Auswahl der TSG 1899 Hoffenheim auf den mehr oder weniger großen Fußball-Giganten FC Bayern München. Das damals 5.000 Zuschauer umfassende Stadion dürfte recht gut gefüllt gewesen sein, war doch dieser große Gegner in Sachen Taktik und Fitness ein absolutes Novum und eine einmalige Gelegenheit für alle Gäste eine große Mannschaft spielen zu sehen. Vielleicht mögen auch manche Badener damals den Traum gehabt haben, die Münchner zu besiegen. Möglich, ja, aber 1999 war es wohl noch nach den Sternen gegriffen, die Zeit sollte sie aber belohnen. Prominenz stimmte damals auf höhere Ziele ein, denn der Kaiser persönlich, Franz Beckenbauer, besuchte als „Golffreund“ Dietmar Hopps das Spiel.

TSG Hoffenheim mit Bayern München gleich auf

Zehn Jahre später, in der Fußball-Bundesliga 2008/09, spielte Hoffenheim ab 2009 in der neu gebauten „Rhein-Neckar-Arena“. Eine beispiellose Aufstiegsserie von der Oberliga bis in die 1. Bundesliga durfte in die Vereinsgeschichte eingetragen werden. Die TSG schnellte in der Tabelle sofort auf Platz eins und überwintert dort als „Herbstmeister“. 30.000 Fans sahen das 2:2 Remis gegen den nicht mehr ganz so groß erscheinenden FC Bayern München. Am Ende schoss sich die TSG auf einen respektablen siebten Platz. Seither verweilt die Fußballmannschaft, deren modernes Trainingsgelände im benachbarten Zuzenhausen liegt, in der 1. Fußballbundesliga.

Rhein-Neckar-Arena

Dietmar Hopp als Investor

Man merkt, diese Geschichte wird einen Haken haben, eine Kraft im Hintergrund von der die Mannschaft stark profitiert. Diese einmalige Geschichte hätte ohne einen enormen Geldfluss nicht stattfinden können. Dietmar Hopp, Mitbegründer des Softwareherstellers SAP, gilt als einer der reichsten Deutschen. Als 1991 die TSG aus der Bezirksliga abstieg, musste Hopp einfach eingreifen, stieg bei den Kickern ein. Mit verschiedenen Trainern schafft es der Verein in immer höhere Ligen. Im Jahr 2007, Hoffenheim spielt in der 2. Fußballbundesliga, gibt es eine Finanzspritze von 20 Millionen Euro für den Kader. Während das neue Stadion nach langer Suche für 40 Millionen Euro gebaut werden kann, muss Hoffenheim aufgrund der Auflagen an das Stadion in das nahegelegene „Carl-Benz-Stadion“ ausweichen. Bis heute hat Hopp mehr als 170 Millionen in Stadien, Trainingszentren und den Verein investiert.

Wird die 50+1 Regelung befolgt?

Mit dem Aufstieg schallt den Badenern nicht nur Sympathie entgegen, viele Fans anderer Vereine werfen Hoffenheim Traditionslosigkeit vor oder unsportliche Geldmengen durch einen „Privatsponsor“. Durch die „50+1“-Regel darf ein Investor maximal 49 Prozent Anteile an der Stimmverteilung in einem Verein besitzen, der Rest muss dem Verein gehören. Ausgeschlossen wird nicht, dass der Verein nur von einem Anleger Kapital erhält. Wichtig ist nur das Stimmenverhältnis im Verein, der immer mehr als die Hälfte (50+1) besitzen muss und somit „das letzte Wort“ zum Beispiel bei Ein- oder Verkäufen hat. Damit wird verhindert, dass die meist rein wirtschaftlichen Interessen eines Kapitalgebers nicht den Verein und dessen Kultur zerstören. Eine Werkself wie beispielsweise Bayer 04 Leverkusen bildet eine Ausnahme, da sie von Anfang an eine Werkself der Bayer AG war. Die TSG Hoffenheim bezieht ihr Kapital zu 96 Prozent von Dietmar Hopp. Allerdings hat die Turn- und Sportgemeinschaft, wie es die Regel verlangt, 51 Prozent der Stimmanteile. Die Befürchtung vieler Fußballfans war nun, dass dieses Stimmverhältnis durch die großen Geldsummen gestört werden könnte. Nach anfänglicher Skepsis legte sich die Kritik aber und es wurde ruhig um den eher Medien meidenden Hopp. Hoffenheim konnte ihre Klasse halten und bewies sich den anderen Mannschaften gegenüber – bis zu den Wechsel-Verhandlungen des Luiz Gustavo.

Wer hat das letzte Wort?

Ralf Rangnick übernahm 2006 den Posten des Trainers bei der TSG Hoffenheim. Er machte den rasanten Aufstieg möglich und konnte mit taktischem Feinsinn und dem richtigen Gefühl für die Mannschaft überzeugen. Dieser außergewöhnliche Trainer verstand sich fantastisch mit Hopp, umso überraschender war die plötzliche Entscheidung, den Trainerjob aufzugeben. „Es ist wohl einzigartig, dass so ein Spieler ohne Wissen des Trainers verkauft wird“, sagte Ralf Rangnick, als er den Fernsehkameras die Entscheidung mitteilte den Verein zu verlassen. Rangnick sprach von Luiz Gustavo, einem jungen brasilianischem Spieler, der verrückt nach Fußball sei. Rangnick wollte ihn auf keinen Fall hergeben, zu wichtig war er. Doch ließen sich Ernst Tanner, Manager der TSG, Roger Wittman, Berater Gustavos und eben Dietmar Hopp Mitte Dezember in München blicken, wo sie mit Bayern-Boss Rummenigge sprachen. Der Trainer Hoffenheims hielt dieses Treffen, von dem er durch die BILD erfuhr, für ausgeschlossen. Doch leider fand es tatsächlich statt und das Verhältnis zwischen Trainer und der restlichen Führungsetage konnte angespannter nicht sein. Spieler Gustavo verkündete immer wieder, wie gerne er gehen würde: „Ich würde gerne schon jetzt wechseln, aber ich kann das nicht alleine entscheiden.“

„Will-Arbeitsplatz“ Luiz Gustavos

So kam es dann auch, der Vertrag wurde unterzeichnet, die Ablösesumme festgelegt. Schätzungen gehen von 15 bis 20 Millionen Euro aus. Rangnick entschloss sich als Konsequenz aus der Entscheidung, die über seinen Kopf hinweg gefällt wurde, als Trainer bei der TSG Hoffenheim aufzuhören. Beim Abschied sprach Rangnick über die Arbeit mit Hopp und der TSG: „Es hat ideal gepasst, wie der Deckel auf den Topf“, sagte er und fasste das Arbeitsverhältnis mit dem Wort „Edelsymbiose“ zusammen. Nette Worte und doch hat diese Trennung einen bitteren Nachgeschmack.

Deutsche Fußball Liga prüft den Fall

Die „50+1“-Regel findet international Anerkennung und wird von den Fans hierzulande breit unterstützt. Seltsam klingt deshalb der Satz Rummenigges nach dem Gustavo-Deal: „Wir haben uns mit Dietmar Hopp geeinigt“, wie der 56-Jährige zu berichten wusste. Daraus lässt sich schließen, dass sich Hopp aktiv an den Verhandlungen beteiligt haben muss, ganz im Gegensatz zum eigentlich zuständigen Trainer. Deshalb prüft die Deutsche Fußball Liga (DFL) nun den Transfer. Hopp verteidigt sich nun in einigen Interviews und kann die Prüfung nicht nachvollziehen. Er meint, ein Bruch der Regelung komme nicht in Frage, „weil ich mich definitiv nicht so einmische, dass es gegen die 50+1-Regelung verstoßen würde“. Er sei lediglich „in die Gespräche eingebunden, weil ich mit den Bayern gut bekannt bin“, meint Hopp in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Auch die Hintergründe für den Gustavo Deal erläutert er in diesem Gespräch: „Wenn das ‚Uefa Financial Fairplay‘ das vorsieht, dass Verluste von Vereinen nur noch sehr begrenzt von Mäzenen ausgeglichen werden dürfen.“ Mäzen ist der Fachbegriff für einen Sponsor, beziehungsweise Investor, der ohne Gegenleistung einer Organisation, einem Verein oder dergleichen hilft. Mäzen Hopp will also, dass sich die TSG Hoffenheim selbst durch Transfer-Erlöse finanzieren kann. Dies war der langfristige Plan von Hopp und deshalb auch das Engagement beim Gustavo Deal. „Ab 2018 werden private Kapitalgeber nur noch 1,7 Millionen Euro pro Saison zuschießen dürfen“, so Hopp. Dass dies in Zukunft zum Problem werden kann, muss nicht bestritten werden, weshalb eine Eigenfinanzierung der Vereine durch Erlöse in den internationalen Wettbewerben und den Transfers unabdingbar ist und sein wird. Im Gustavo-Hopp-Fall muss nun die DFL entscheiden, inwieweit Hopp sich aus Furcht vor der neuen Regelung in den Deal mit eingemischt hat. Für andere Länder sieht der Hoffenheim-Investor aufgrund der Uefa-Regelung voraus, dass die Fußballzukunft für „Italien, Spanien und England ziemlich heftig werden wird“.

Hopp Hopp, Hurra!

Dietmar Hopp betreibt neben dem Hoffenheim-Projekt noch eine Stiftung für gemeinnützige Projekte und ebenso investiert er in die Jugendförderung anderer Sportarten wie Golf, Eishockey oder Handball. Einmalig bleibt die Geschichte des Dorfvereins, der irgendwann einmal in die Bundesliga kam, um dort für ordentlich Furore zu sorgen. Was die Zukunft bringt und ob das System TSG Hoffenheim zerbricht, wird sich in Zukunft zeigen. Zeitgemäß ist der nebenbei in den Kinos laufende Kinofilm nicht mehr, den Zeitgeist wird er aber gut eingefangen haben. Denn dieses Dorf hat eine außergewöhnliche Geschichte. Die Geschichte des Dietmar Hopp. Hopp Hopp, Hurra!

Quellen: Transfermarkt.de [1] [2] | Faz.net

Bilder:
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