USA liefert KZ-Scherge nach Deutschland aus

Dem wohl bekanntesten Häftling in München-Stadelheim, Jon Demjanjuk, steht imAlter von 89 Jahren noch ein Strafprozess bevor. Während des Nationalsozialismus soll Demjanjuk eine entscheidende Rolle beim Tod von rund 250.000 Juden gespielt haben.

Den Haftbefehl bekam der 89-Jährige bereits kürzlich vorgelesen. Nun geht es an die medizinichen Tests, die bestätigen sollen, dass Demjanjuk der Prozess gemacht werden kann.Allerdings soll das Gutachten noch Tage, wenn nicht sogar Wochen auf sich warten lassen.

Wegen des zur Vollstreckung ausgesetzten Haftbefehls der Münchner Justiz versuchtedie USA schon seit mehreren Wochen den gebürtigen Ukrainer nach Deutschland abzuschieben. Die Anklageschrift umfasst den Tatvorwurf Beihilfe zum Mord in mindestens 29.000 Fällen. Nochbestreiten John Demjanjuk und seine Anwälte die Vorwürfe.

Zeitgleich mit John Demjanjuk traf auch der Holocaust-Überlebende Thomas Blatt aus Santa Barbara ein. Am Dienstagvormittag machte er im Polizeipräsidium München seine Aussage underzählte den Beamten, was er im Vernichtungslager in Sobibór durchmachte. Der 82-Jährige ist einer der wenigen, die das KZ überlebten.

Demanjuk ließ Amerika hinter sich

Am Vormittag landete Demjanjuk mit einem Lazarettflugzeug auf dem Münchner Flughafen. Um 19.13 Uhr startete die von der US-Regierung gecharterten Maschine von dem Flughafen Burke nachDeutschland. Nun hat Demjanjuk die amerikanische Justiz hinter sich gelassen und muss sich nun der Deutschen stellen.

Angestrebt wird ein Verfahren vor dem Landgericht in München. Vor demmöglicherweise letzten NS-Prozess steht jedoch noch ein umfangreicher Medizin-Check an. Zur Zeit befindet sich der 89-Jährige in der JVA Stadelheim, die über eine gut ausgerüsteteKrankenabteilung verfügt. Hier können auch seine Krankheiten genauestens behandelt werden.

Nach Aussagen seiner in den USA zurückgelassenen Familie leidet Demjanjuk an einer Knochenmarkserkrankung, Nierenversagen und rheumatischen Beschwerden. Aufgrund dessen stand auch diemedizinische Überwachung während der gesamten Abschiebung nach Deutschland an oberster Stelle.

Deutsche Ärzte sind gefragt

Ein Spezialistenteam aus deutschen Amtsärzten soll nun feststellen, ob Demjanjuk in der Lage ist, einen Prozess durchzustehen. Bereits vor Wochen wurde der deutschte Mediziner ProfessorChristoph Nerl vom Klinikum Schwabingen mit einer Einschätzung beauftragt. Jedoch musste Nerl aufgrund der dürren amerikanischen Befunde ablehnen.

Schlimme Leiden nur eine Inszenierung?

Vor einem knappen Monat wollten Einwanderungsbeamte bereits zum ersten Mal agieren. Allerdings fand man in Demjanjuks Anwesen in Cleveland nur einen alten stöhnenden Mann im Rollstuhl. DieAbschiebung schien zunächst zu scheitern. Allerdings spiegelte dies nicht die Videoaufnahmen wieder, die verdeckte Ermittler einige Tage danach ans Licht brachten. Sie zeigten einen agilenSenioren – schon war der Weg nach Deutschland frei.

Der Haftbefehl verfügt über 21 Seiten und wurde bereits am zehnten März ausgestellt. Der Vorwurf lautet Verdacht auf 29.000 Fälle bei dem Demjanjuk Beihilfe dazu geleistet habensoll, Menschen aus niedrigen Beweggründen und auf grausame Art und Weise getötet zu haben. Demjanjuk gilt als meistgesuchter NS-Verbrecher der Zeit. Sollte es zum Prozess und einerspäteren Verurteilung kommen, droht Demjanjuk pro Fall eine Strafe von mindestens drei bis 15 jahren Haft.

Eine überaus lange Haftstrafe wird Demjanjuk jedoch eher nicht antreten müssen, sollte er vor dem Ende des wahrscheinlich langwierigen prozesses für haft- oder verhandlungsunfähigeingestuft werden. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird er jedoch wohl nicht wieder zu Gesicht bekommen, denn der Weg zurück in die USA bleibt ihm versperrt.

Quelle: Spiegel.de

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