Tenchu: Shadow Assassins (PSP) im Test

Die Tenchu-Franchise gehört mittlerweile zu den Dauerbrennern derVideospiel-Geschichte: 1998 erschien das in Deutschland indizierte erste Tenchu für Sonys PlayStation und wurde, als Nutznießer des aufkommenden Stealth-Booms, ein weltweit respektablerVerkaufserfolg.

Von diesem Zeitpunkt an ging es jedoch rapide bergab. Das zweite Tenchu verkaufte sich immer noch gut und wurde von der Fachpresse überwiegend positiv aufgenommen, war aber schwächer alsdas Original. Nach dem 2003 veröffentlichten Ableger Tenchu: Wrath of Heaven, das an einen neuen Entwickler übergeben wurde, rutschte die Saga endgültig in das Feld des unterenDurchschnitts ab: Alle nachfolgenden Teile waren mittlere Gameplay-Katastrophen, mit Tenchu: Dark Secret (Nintendo DS, 2006) und Tenchu Z (Xbox 360, 2007) als traurige Höhepunkte. Von daher istes natürlich, dass bei geneigten Käufern sämtliche Alarmglocken schrillen, wenn ein neuer Tenchu-Titel in die Läden kommt. Diese Sorge ist vielleicht unbegründet, dennfür Shadow Assassins zeigt sich nicht K2, sondern das ursprüngliche Team des Entwicklers Acquire, von dem die ersten beiden – noch guten – Tenchu-Titel stammen, verantwortlich – einSilberstreif am Horizont?


Von entführten Prinzessinnen …

Einmal mehr schlüpft der Spieler in Shadow Assassins in die virtuelle Haut von Rikimaru, seines Zeichens Ninja und Mitglied des Azuma-Clans im feudalen Japan. Seine Aufgabe ist der Schutz vonLord Gohda und dessen Familie. Als Gerüchte aufkommen, es wäre ein Komplott zum Sturz des Lords im Gange, werden Rikimaru und die Asuka-Kunoichi Ayame gerufen, um zu ermitteln. Um den Lordzu beruhigen, bestellt dessen Berater Sekiya eine Wahrsagerin ins Schloss, die sich jedoch als feindliche Kunoichi entpuppt und die Herrscherstochter, Prinzessin Kiku, entführt. Gemäßdem gängigen Klischee muss die Prinzessin nun aus den Händen des Feindes befreit und die Verschwörung hinter ihrer Entführung aufgedeckt werden, um schlussendlich auf einen altenFeind zu treffen.

Alt sind allerdings nicht nur die Feinde in Tenchu: Shadow Assassins: Spieler des ursprünglichen Tenchu erleben ein Déjà-vu: Seit 1998 hat sich am Gameplay der Serie nämlich kaumetwas Nennenswertes verändert. Man durchquert immer noch lineare Level, absolviert zwischendurch ein paar Sprungeinlagen (diesmal jedoch ohne den Wurfhaken) und – das Wichtigste – entledigt sichseine Feinde wie ein Ninja: lautlos und unsichtbar.

Denn Tenchu ist nach wie vor ein Stealth-Game. Genre-Fans fühlen sich beim Spielen vielleicht ein bisschen an einen in Deutschland beschlagnahmten Stealth-Titel aus dem Hause Rockstar erinnert:Man lauert verborgen im Schatten und wartet, bis sich ein Feind nähert, um diesen, sobald er einem den Rücken zukehrt, mit einer von vier Tötungsarten zu eliminieren. Auch kann dieUmgebung eingesetzt werden, um sich der Bedrohung durch patrouillierende Wachen und feindliche Shinobi (die sich ihrerseits ebenfalls im Schatten verstecken und wiederum dem Spieler auflauern) zuentledigen. Natürlich kann man auch versuchen, an Feinden einfach vorbeizuschleichen.


Allerdings versteht sich von selbst, dass sich der Schwierigkeitsgrad drastisch erhöht, wenn man sich nicht an Wachen oder unbehelligten Passanten (die man zwar nicht töten, sondern nurausknocken kann, die einen aber durch ihr Geschrei im Fall der Enttarnung leicht verraten) vergreift – dabei sind manche Etappen schon verfahren genug. Shadow Assassins ist, wie die meistenTenchu-Ableger, nicht für Stealth-Anfänger geeignet und sorgt, wenn man sich an das großteils passive Gameplay nicht gewöhnt, zweifellos für Frust. Zwar ist die feindliche KInicht sehr intelligent, dafür aber unberechenbar. Es ist möglich, im Laufschritt auf Gegner zuzustürmen, sich mit einem Salto hinter sie zu begeben und sie gemütlich mit einemStealth-Kill zu exekutieren, ohne eine Reaktion zu provozieren. Auf der anderen Seite kann man sich langsam heranpirschen, trotzdem dreht sich das Ziel plötzlich um, weil es einverdächtiges Geräusch (?) gehört hat. Zwar bedeutet entdeckt zu werden kein Game Over‘ aber …

… und Kunoichi mit großen … – Ninjutsu-Fähigkeiten.

Wer in Shadow Assassins entdeckt wurde, kann nur hoffen, eine Klinge zu besitzen. In diesem Fall wechselt das Spiel in die Ego-Perspektive und man muss sich auf einen rundenbasierten Kampf einlassen.Dabei kämpft man nicht selbst, sondern besteht eine Reihe von Quicktime-Events (Stick in die auf dem Screen angegebene Richtung drücken), bis man entweder den Angreifer besiegt hat oder vondessen Schwert getroffen wurde.

Während der Kontrahent nämlich zahlreiche Hiebe einstecken kann, strecken die beiden Helden bereits nach einem Hieb die Flügel – oder auch nach zwei. Beim ersten Treffer ist esnämlich möglich, Ninjutsu einzusetzen, um zu fliehen. In diesem Fall trifft der Feind nur ein Stück von Rikimarus oder Ayames Rüstung. Ninjutsu lässt sich jedoch nur einmalpro Etappe benutzen, danach ist man absolut schutzlos.

Wird man entdeckt und besitzt keine Waffe (wobei Kunai seltsamerweise nicht zählen), kann man entweder (einmalig) das bereits erwähnte Ninjutsu anwenden, die gegnerische Sicht mit einerRauchbombe vernebeln – oder man ist gezwungen, zuzusehen, wie die Spielfigur niedergestreckt wird. Jawohl: Man ist zwar ein Shinobi und beherrscht tolle Ninja-Tricks, kann aber, wenn man entdecktwird, nicht einfach abhauen. Stattdessen flucht die Spielfigur und fügt sich anschließend ihrem Schicksal. Mir ist natürlich klar, dass dadurch das Gameplay vorangetrieben werden soll- welchen Sinn hätte der Fokus auf Stealth, wenn man genauso gut durch die Level rennen kann, ohne Konsequenzen zu fürchten? Doch hinterlässt die Enttarnung einen bitterenBeigeschmack.


Die Story von Shadow Assassins ist ein gewaltiges, uninspiriertes Klischee. Das wäre nicht so tragisch, hätte man nicht versucht, das feudale Japan durch moderne Einschlägeaufzupeppen. Als Rikimaru erstmals auf Rinshi trifft, wusste ich nicht recht, was ich denken sollte: Ihre Clan-Zugehörigkeit wird durch ein Tattoo auf ihrem Busen symbolisiert – dessenDoppel-D-Größe wohl das japanische Faible für große Brüste widerspiegelt – und damit es auch schön sichtbar ist, trägt sie natürlich einen Kimono mitäußerst großzügigem Ausschnitt. Das gleiche gilt für Ayame, deren Rüstung passend bauchfrei ist. Würde statt Tenchu „Ninja Gaiden“ auf dem Cover stehen, hätteich mich daran nicht gestört.

Ebenfalls offensichtlich ist eine weitere Parallele zu Rockstars beschlagnahmtem Stealth-Titel: Die Sprüche der Feinde. Werden diese aufmerksam, beginnen sie, Worte an die Schatten zu richten.Diese wurden großteils offensichtlich daraus entlehnt. So hört man Altbekanntes wie „I can smell you“ oder „Come out now, I won’t hurt you“ -noch dazu in ständiger Wiederholung, weil jeder Gegner nur gefühlte drei Sätze zur Verfügung hat. Natürlich hat Rockstar für ihre Menschenjagd nicht alle dummenSprüche gepachtet, alleine der Atmosphäre wegen hätte man hier aber etwas einfallsreicher sein oder zumindest bessere englische Synchronsprecher ohne britischen Akzent (dieSprachausgabe des japanischen Originals ist leider nicht enthalten) engagieren können.

Wieso, Acquire – Wii-eso?

All die von mir kritisierten Makel wären mit etwas gutem Willen verschmerzbar, gäbe es nicht einen entscheidenden Faktor, der dem Gameplay auf der PSP irreparablen Schadenzufügt:

Tenchu: Shadow Assasssins ist eine Wii-Originalentwicklung. Das Spiel wurde ursprünglich für Nintendos Konsole konzipiert und das Resultat später für Sonys PlayStation Portableadaptiert. Dies ist einerseits eine gute Sache, denn die Technik wurde ebenfalls von der Wii portiert – mit großem Erfolg. Grafisch gehört Shadow Assassins eindeutig zur PSP-Elite:schöne, detaillierte Models und Umgebungen sorgen, trotz Clipping-Fehler, für stimmiges Asia-Flair. Ebenfalls übernommen wurde der Soundtrack. Dieser ist nicht übel, aber leidersehr repetativ, weshalb er nach mehreren Spielstunden zunehmend lästig wird. Die Technik ist gewiss nicht das Problem der PSP-Umsetzung – es ist ihr Gameplay.

Besonders deutlich werden Shadow Assassins Wii-Wurzeln, wenn der Spieler entdeckt und in ein Duell verwickelt wird. Das Kämpfen via QTEs wäre an sich in Ordnung, würde es auf denhöheren Schwierigkeitsgraden nicht zur Qual. Hier hämmern die Befehlsketten gnadenlos auf die Geduld des Spielers ein, bei deren Abarbeitung man mit dem kleinen Stick ziemlich ins Schwitzenkommt, zumal es das Spiel mit seinen Anforderungen ein bisschen zu genau nimmt: Drückt man den Stick fünf Grad zu stark nach oben, während einem das Spiel vorgibt, ihn nach rechtsunten zu bewegen, gilt der Event als fehlgeschlagen. Man hätte den Entwickler daran erinnern sollen, dass dies ein Handheld-Spiel ist, also für unterwegs geeignet sein sollte. Wie jemand,beispielsweise in einem von Fahrterschütterungen gebeutelten Bus, die QTEs auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad fehlerlos hinbekommen soll, ist mir ein Rätsel. Dass diese Art desKämpfens auf der Wii Spaß macht – die Wiimote wird quasi zur Klinge, was durchaus funktioniert – bezweifle ich nicht, auf die PSP bezogen ist der Sinn dieses Konzepts hingegenfragwürdig.

Überhaupt merkt man der Steuerung die Portierung stark an. Sie ist behäbig, träge und unflexibel. Zwar ist der Umgang damit leicht erlernt, richtig gut fühlt sie sich allerdingsnie an. In dieser Hinsicht wäre auf jeden Fall Feintuning notwendig gewesen, genau wie bei der Bewegungsfreiheit. Wo ist der Greifarm, wo das Springen von Dach zu Dach geblieben? Auf der Wiiwäre das vermutlich unpassend gewesen – wie ein Irrer mit der Wiimote zu fuchteln, um in bestimmte Richtungen zu schwingen, ginge mir zumindest rasch auf die Nerven -, nichts aber hinderteAcquire daran, die PSP-Version entsprechend zu erweitern. Zwar gibt es die eine oder andere Sprungeinlage, diese beschränken sich jedoch auf das Überspringen von kurzen Distanzen. Will mansich auf Dächerwanderung begeben, halten einen unsichtbare Wände davon ab, manche Gebäude zu erklimmen. Dadurch sehe ich die generelle Langatmigkeit des Gameplay von Shadow Assassinsgegenüber seinen Vorgängern begründet. Außerdem wird die Action ständig durch die häufigen Ladezeiten unterbrochen, die insofern unerklärlich sind, weil das Spielzwischendurch auch ständig nachlädt (und deshalb mittendrin für ein, zwei Sekunden stockt) – scheinbar der Preis für die sonst starke Technik.

Fazit, Lars Haise:

Unter dem Strich ist Shadow Assassins das beste Tenchu seit Jahren. Die Umsetzung von der Wii auf die PSP ist in technischer Hinsicht sehr gelungen, leider wurde das Gameplay gegenüber demOriginal nicht an den Handheld angepasst. Wer also eine Wii daheim hat und nicht zwangsläufig neues Material für unterwegs benötigt, sollte sich unbedingt die Konsolenfassung zulegen.Alle anderen erhalten eine tolle Ergänzung für ihre PSP-Sammlung – vorausgesetzt, man ist mit dem Gameplay von Stealth-Titeln wie Metal Gear Solid oder Splinter Cell vertraut, denn fürkomplette Neulinge ist Shadow Assassins vermutlich eine Feuerprobe. Ich war von dem Spiel jedenfalls angetan und hoffe, dass Acquire die Franchise weiterhin betreuen wird.

Vielen Dank an Ubisoft für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Bewertung:

Grafik: 9/10
Sound: 7/10
Steuerung: 6/10
Spielspaß: 8/10
Multiplayer: – (nicht vorhanden)
Gesamt: 7/10

Spiel-Informationen:

Plattform: PlayStation Portable
Genre: Action/Infiltration
Release: 02.04.2009
USK: Keine Jugendfreigabe (18+)

Bilder:
© Ubisoft

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