Und sie überwachen uns doch

„Eine Auswertung der Internetkommunikation findet nicht statt“, hates noch vor rund einem Monat von Bundesfamilienministerin von der Leyen geheißen, als sie sich zum geplanten Internetzensurgesetz äußerte und Kritik an diesem abzuwehren versuchte.Heute sieht das anders aus.

Ulrich Staudigl, Sprecher des Bundesjustizministeriums, erklärte heise online gerade, dass Teile der Regierung in Betracht zögen, Zugriffe auf die durch die BKA-Liste gesperrten Seiten zurStrafverfolgung zu nutzen.

Der Gesetzesentwurf, den Zensurgegner notfalls bis vor das höchste Gericht zerren werden, um ihn abzuwenden, überraschte mit diesem Detail. Bisher war kein Wort in Richtung Echtzeitzugriffgefallen und nun sollen Beamte jederzeit kontrollieren dürfen, welche IP-Adresse wann wo etwas getan hat, was das BKA als illegal ansieht.

Sonntag, 20 Uhr: Nutzer trifft Stoppschild – live im BKA-Ticker

Staudigl erklärte, dass diese Überwachung ähnlich wie bei einerTelekommunikationsüberwachung funktioniere. Adressen der Anfragen auf Stoppseiten würden live an eine Überwachungsanlage der Justizbehörde laufen und dort verarbeitet. JederNutzer habe mit Strafverfolgung zu rechnen, wenn er dabei beobachtet würde, wie er versuche, auf eine gesperrte Seite zuzugreifen, da schon einmaliges Vorkommen die Voraussetzung fürweitere Ermittlungen erfülle, heißt es weiter.

Relativiert werden sollten diese Inhalte mit der Aussage, dass natürlich ein richterlicher Beschluss für die Beobachtung von Nöten sei und der Nachweis des Vorsatzes bei denStrafverfolgungsbehörden liege.

Pressesprecher kennt Entwurf besser als Verantwortliche

Über diese Neuerungen hinaus überrascht die Zensurinitiative aber vor allem mitUneinigkeit. Denn während Staudigl mit heise online sprach, erklärte von der Leyen dem Radiosender radioeins, IP-Adressen würden auf keinen Fall gespeichert. Auf weitere Nachfragehieß es dann allerdings, der Gesetzesentwurf sähe vor, dass Spuren beispielsweise für die Staatsanwaltschaft verfolgt werden könnten, wenn kompliziertere Sperrtechniken als diegeplante DNS-Sperre angewendet würden.

Im Gesetzesentwurf steht nichts von diesen „komplizierten Sperrtechniken“, dafür umso mehr von der besagten Überwachung. Staudigl behält also Recht, da erentweder besser Bescheid weiß oder einfach ehrlicher zu den Medien und vor allem den Bürgern ist als Frau von der Leyen.

Sechs große Anbieter Untergebene des allmächtigen BKA?

Die Provider Vodafone, O2, Kabel Deutschland, Deutsche Telekom, Arcor und Alice habe sich vor kurzem schon vertraglich verpflichtet, die von manchem Politiker gewünschten und von vielentechnisch fähigeren Personen als nutzlos betrachteten Stoppseiten einzurichten.

Darüber hinaus kritisieren viele, dass diese gesetzlich geregelte Zensur sie inihren Freiheiten einschränke – ohne dass sie jemals das Bedürfnis verspürt hätten, kinderpornografisches Material zu sichten – und zudem den Grundstein für weitere medialeBeschneidungen lege.

Als besonders gefährlich sieht dabei mancher, dass das BKA nicht nur die Liste der zu sperrenden Seiten verwaltet, sondern gleichzeitig auch kontrollierendes Organ ist, das zudem auch dieStrafverfolgung übernähme. Summe der Kritik ist der Unwillen ,sich der Willkür des BKA hingeben zu müssen.

Ob es überhaupt soweit kommen kann oder ob das Gesetz abgeändert oder direkt gekippt wird, bleibt abzuwarten. Der Protest gegen die Geburt eines neuen Zensursystems ist da.

Quellen: heise.de | Zensurprovider.de

Bilder:
Wikipedia: 1, 2, 3, 4

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