Update: Beck raus und Müntefering rein
Die Lage in der SPD spitzt sich von Tag zu Tagzu. Nun hat Kurt Beck, der sich selbst als Opfer einer Intrige sieht, seinen Job geschmissen. Wieder ins Amt des Parteichefs steigt Franz Müntefering, der mit Becks Entschluss keinesfallsgerechnet hatte.
Mit ettlichen Stunden Verspätung erschien Kurt Beck bei der SPD-Fraktionsklausur und war nach wenigen Minuten schon wieder verschwunden. Dieser Besuch bei den Genossen war seine letzte Aktionals Parteichef. In der Sitzung erklärte er, dass er als Vorsitzender zukünftig und mit direkter Wirkung nicht mehr zur Verfügung steht.
Ursprünglich hätte am heutigen Sonntag lediglich die Kandidatur von Steinmeier zum Kanzler verkündet werden sollen. Becks schlagartiger Abgang soll mit dieser Entscheidung derParteispitze in Zusammenhang stehen. Als Grund für seinen unerwarteten Rücktritt erwähnte Beck eine interne, gegen ihn gerichtete Kampagne. Laut Fraktionsvize AngelicaSchwall-Düren konnte Beck aufrgund dessen keine Kraft mehr aufbringen, den Parteivorsitz weiterzuführen.
Becks persönliche Erklärung
Am frühen Abend erklärte Beck seinen persönlichen Rücktritt aus der Partei über die geplante Nominierung Steinmeiers zum Kanzlerkandidat. Er selbst soll esgewesen sein, der Steinmeier vor zwei Wochen gebeten hatte, die Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahlen im kommenden Jahr zu übernehmen.
Vergangene Nacht soll dann der gemeinsame Plan der beiden Politiker durchkreuzt worden sein, mit Frank-Walter Steinmeiers Nominierung zum Kanzlerkandidaten der SPD durchzustarten und gemeinsamfür einen Erfolg bei der Bundestagswahl 2009 zu sorgen. In den Medien soll ein völlig entfremdeter Ablauf seiner Entscheidung dargestellt worden sein. Vor diesem Hintergrund sieht Beckkeine Möglichkeit mehr, sein bisheriges Amt mit genügend Autorität ausüben zu können.
Kurt Becks Rücktritt traf die eigenen Reihen laut Steinmeier vollkommen unerwartet. Der neue Kanzleranwärter sowie SPD-Generalsekretär Hubertus Heil zollten Becks Entscheidung Respektund dankten ihm für seine Leistungen. Die kommende Nachfolgeregelung kommt nicht weniger überraschend als Becks Rücktritt.
Rückkehr von Müntefering
Zukünftig soll Franz Müntefering sein altes Amt wieder aufnehmen. Für Montag wurde zu einer Sondersitzung nach Berlin geladen, bei der über die Neuordnung an der Parteispitze nachdem Rückteitt beraten werden soll. Desweiteren soll ein Termin für den Sonderparteitag gefunden werden. Künftig soll also Franz Müntefering wieder den Vorsitz der Parteiübernehmen, was er bereits von 2004 bis 2005 tat. Er ist somit der fünfte Parteichef innerhalb der letzten fünf Jahre.
Erst vor wenigen Wochen zeigte sich Müntefering zum ersten Mal, seit seine Frau Ankepetra Ende Juli an Krebs starb, auf großen politischen Bühnen. Im November letzten Jahres hatte ersich zur Pflege seiner schwerkranken Ehefrau zurückgezogen und die beiden Ämter als Vizekanzler und Arbeitsminister niedergelegt. Sein Bundestagsmandat behielt Münteferingjedoch.
Becks Rücktritt positiv für Rheinland-Pfalz
In der pfälzischen Landes-SPD ist der Rücktritt von Kurt Beck ein Glücksfall, wie eine Parteisprecherin verlauten ließ. Hier kann er sich nun wieder auf sein eigenes Bundeslandkonzentrieren, in dem er seine politischen und sonstigen Wurzeln hat.
Separates Treffen vor der SPD-Klausur
Bereits am Sonntagvormittag, noch vor Aufnahme der eigentlichen Beratung, hatte sich die engste Spitze um Steinmeier, Beck und Struck zu einem separaten Treffen in einem Privathausunweit vom Tagungshotel entfernt zurückgezogen. Einige Klausur-Teilnehmer zeigten sich verärgert darüber, dass sie von der Entscheidung für Steinmeier als Kanzlerkandidat aus denMedien erfahren mussten. Ein solches Verfahren sei kein besonders guter Einstieg in dessen Spitzenkandidatur. Sowohl Beck als auch Steinmeier selbst hatten betont, dass an dem verabredeten Zeitplanunter allen Umständen festgehalten werden müsse.
Steinmeier offiziell SPD-Kanzlerkandidat
Die Spekulationen haben ein Ende: Nach ersten Informationen hat sich Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nun bereit erklärt, für die SPD nächstes Jahr alsBundeskanzlerkandidat ins Rennen zu gehen. Somit ist der Wahlkampf offiziell eröffnet.
Schon seit Monaten war das Gerede groß, wer denn nun die SPD in die kommende Bundestagswahl führen solle. Von Kurt Beck, dem Parteivorsitzenden war da die Rede. Aber immer hat auchFrank-Walter Steinmeier, seines Zeichens Bundesaußenminister, hoch im Feld der Kandidaten mitgespielt.
Die Gerüchteküche brodelte lange und intensiv und nicht selten hieß es, Steinmeier würde das Rennen machen, nicht zuletzt wegen seiner größeren Beliebtheit in derBevölkerung. Doch in den letzten Tagen wurde es zunehmend heißer um eine mögliche Entscheidung. Demnach sollte diese bis zum Wochenende beschlossen werden, was die Partei aber nichtbestätigte.
Von Seiten einiger SPD-Rechten, den Altkanzlern Helmut Schmidt und Gerhard Schröder sowie Steinmeiers niedersächsischem Heimatverband wurde in der letzten Zeit viel Druck ausgeübt,eine rasche Entscheidung zu fällen. Es ging die Befürchtung um, dass Kurt Beck Steinmeier mit der Kandidatenkrönung zuvor kommen könne.
Nun ist es soweit. Steinmeier hatte sich darüber bereits lange und intensiv mit dem Parteichef beraten und teilt seine Entscheidung nun der Parteispitze mit, die sich aus dem Vorsitzendenselbst, dem Präsidium, der Fraktionsspitze, den Ministerpräsidenten und Bundesministern zusammensetzt.
Derzeit trifft sich die Parteispitze am Schwielowsee in Brandenburg, um sich auf die zentralen Inhaltspunkte des Wahlprogramms für das kommende Jahr zu einigen. Dort soll auch am Sonntag dieEntscheidung Steinmeiers und der SPD offiziell bekannt gegeben werden.
Äußerer Druck auf SPD nahm ständig zu
Bis zuletzt hieß es, die SPD würde sich bei der K(anzler)-Frage nicht von außen unter Druck setzen lassen. Doch tatsächlich sind es genau diese äußeren Umstände,die die Partei jetzt zum Handeln zwingen.
Im Machtpoker um die Regierungsfrage in Hessen und die Zusammenarbeit mit der Partei Die Linke wollte man demnach die K-Frage nicht vom Ergebnis um Ypsilantis zweiten Versuch im Griff zur Machtabhängig machen.
Auch innerparteiliche Streits zwischen rechtem und linkem Flügel mögen zu der plötzlichen Kandidatenkür geführt haben. Denn erst kürzlich forderten mehr als 50Parteilinke eine Loslösung von der Agenda 2010, die unter anderem Reformen wie Hartz IV hervorbrachte.
Partei soll raus aus dem Umfragentief
Demnach will Steinmeier mit seiner jetzigen Entscheidung einem weiteren Zerwürfnis in der eigenen Partei entgegentreten, womit auch der seit langem anhaltende Abwärtstrend der SPDaufgehalten werden soll. Das hat die Partei auch dringend nötig, denn nach derzeitiger Lage in den Umfragen bräuchte es theoretisch keinen Kanzlerkandidaten.
So zeigt sich: Der Wahlkampf hat nun offiziell begonnen. Warten wir also ab, wie die anderen Parteien, insbesondere die CDU als derzeitiger Koalitionspartner im Bund, reagieren werden.