Das #Musik Filmreview: Die Tiefseetaucher

Lange hat es gedauert, doch nun kommen auch Kinofans auf ihre Kosten. In Zusammenarbeitmit FilmSzene.de präsentiert Euch RauteMusik nun jeden Mittwoch brandneu das Film-Review der Woche.

Ob Kassenschlager oder Totalausfall , hier erfahrt ihr es als Erstes! Den Anfang macht der Streifen von Wes Anderson, die Tiefseetaucher.

Spätestens seit seinem High School-Klamauk“Rushmore“ gilt Wes Anderson neben David O’Russell („Three Kings“) und Alexander Payne („Sideways“) als Garant für unkonventionelles Kino mit einem Hang zum Absurden. Zum Beispiel hat derRegisseur anscheinend eine besondere Vorliebe für außergewöhnliche Tiere. Nach den Dalmatiner-Mäusen aus den „Royal Tenenbaums“ geht’s in Wes Andersons neuestem Abenteuer unteranderem um die Jagd nach einem Jaguar-Hai. Aber eine weniger skurrile Geschichte hätte seine Fans ja auch enttäuscht, schließlich erwartet man mittlerweile viel von dem ideenreichenRegisseur. Also versammelte er ein großartiges Ensemble aus Anderson-Veteranen und neuen Gesichtern um sich, die als Team Zissou in seiner Jacques Cousteau-Parodie mit dem ForschungsschiffBelafonte in See stechen.

Bei der Premiere seines neuen Films verkündet Ozeanograph und Dokumentarfilmer Steve Zissou (Bill Murray, „Lost in Translation“, „Rushmore“) das Ziel seiner nächsten Expedition: den“Jaguar-Hai“ zu töten, der seinen langjährigen Freund und Mitarbeiter Esteban gefressen hat. Gefragt nach der wissenschaftlichen Grundlage dieses Unternehmens, antwortet er lediglich:“Rache.“ Weißer Hai meets Moby Dick? Nicht wirklich, denn da ist auch noch ein gewisser Ned Plimpton (wie immer mit dabei: Owen Wilson, „Starsky & Hutch“, „The Royal Tenenbaums“), derglaubt, Steves Sohn zu sein und kurzerhand Mitglied im Team Zissou wird. Dieses Team ist eine Art multikulturelle Ersatzfamilie und Zufluchtsort für schräge Vögel wie den deutschenKlaus Daimler (unheimlich wie immer, komisch wie nie, so dass man ihm glatt den grausamen Akzent verzeiht: Willem Dafoe, „Spiderman“). Aber da ist auch Steves Frau Eleanor (Anjelica Huston),Vizepräsidentin von Team Zissou, die als einzige so wirkt, als ob sie die Sache im Griff hätte. Mit von der Partie ist ebenfalls die Journalistin Jane (Cate Blanchett, „The Aviator“, „Herrder Ringe“), die ein Exposé über das Team schreiben will und die sowohl von Ned als auch Steve umworben wird. Neben der turbulenten Suche nach dem Hai gibt es also noch reichlich Raumfür zwischenmenschliches Drama.

„Die Tiefseetaucher“ ist vor allem ein Augen- und Ohrenschmaus. Wes Anderson entführt sein Publikum in seine merkwürdige Welt, von Anjelica Huston liebevoll „Wessyworld“ genannt.Ähnlich wie Baz Luhrmann spielt Anderson gern mit altmodischen Animationseffekten und mischt das Ganze mit seinem Sinn fürs Theatralische. Das Ergebnis ist eine Mischung aus reellen undfantastischen Elementen mit einer Prise 60er Jahre Retro-Look. Man soll sehen, dass die meisten Kulissen aus Pappmaché sind, und das macht Spaß. Das 7 1/2te Stockwerk in „Being JohnMalkovich“ war vielleicht toll, aber die Kamerafahrten durch die halbierte „Belafonte“ sind toller, weil sie dem Film eine besondere Dynamik und gleichzeitig Ironie geben.
So beginnt der Film (wie „Rushmore“ oder Luhrmanns „Strictly Ballroom“) mit einem dicken roten Samtvorhang, der uns daran erinnert, dass wir nun für zwei Stunden die Realität verlassen.Kurze Zeit später sehen wir, wie Bill Murray ein regenbogengestreiftes Seepferdchen aus seinem Plastiktütchen in ein Champagnerglas dekantiert und mit hoch erhobenem Glas den roten Teppichherabschreitet. Einmalig. Überhaupt sind alle Unterwasseraufnahmen im Film mindestens so bezaubernd wie „Findet Nemo“. Animiert wurden die seltsamen Kreaturen übrigens von Henry Selick, derunter anderem für Tim Burtons „Nightmare before Christmas“ verantwortlich war. Direkt von Ozeanforscher-Legende Cousteau geklaut sind die niedlichen roten Pudelmützen und hellblauenUniformen; dazu passend die von Anderson selbst designten Adidas-Schuhe. Der Regisseur hat schon früh erkannt, dass Uniformen sich gut für Klamauk eignen. Man denke nur an denrot-weiss-Adidas-gestreiften Ben Stiller und seinen Nachwuchs in „The Royal Tenenbaums“. Dann ist da das Zorro-artige Zissou Logo, das überall prangt. Und welche Farbe hat wohl das(Beatles-inspirierte) U-Boot?
Soundtracks waren ebenfalls schon immer Andersons Stärke, aber dieser ist einfach fantastisch. Mit von der Partie ist nämlich Seu Jorge, der neben seiner schauspielerischen Karriere („Cityof God“) auch ein Popstar ist und im Film mehrere von ihm selbst (!) ins Portugiesische übersetzte David Bowie-Songs singt. Bowie selbst war angeblich so angetan von den neuen Versionen dass erohne weiteres seine Erlaubnis gab.

Obwohl Bill Murrays von Midlife-Crisis und väterlichen Schuldgefühlen geplagter Steve Zissou oft an frühere Rollen in „Rushmore“ und „Lost in Translation“ und sogar Gene HackmansPatriarchen in „The Royal Tenenbaums“ erinnert, ist Murray großartig. Auch diese Figur, die Wes Anderson extra für Murray schrieb, wird ihm keinen Oscar einbringen, aber dem Publikum soll’segal sein, die Academy ist eben eigenwillig oder vielleicht auch nur blind. Stets mit traurig-gelangweiltem Augenaufschlag und einer gewissen Überheblichkeit spielt Murray den Tiefseetaucher,der nicht wahrhaben will, dass seine besten Jahre schon vorbei sind, ihn keiner mehr ernst nimmt und sein Rivale Alistair Hennessey (Jeff Goldblum) erfolgreicher ist. Dabei nimmt Murray sich auchgehörig selbst auf die Schippe, schließlich ist er selbst nicht mehr der jüngste und schönste. Aber auch die anderen Rollen sind klasse besetzt, vor allem Owen Wilson, AnjelicaHuston und Cate Blanchett. Weitere kleine Schmuckstücke für Filmliebhaber sind Michael Gambon als Oseary Drakoulias (der Name musste noch mal ausgeschrieben werden) und Bud Cort (kaumwieder zuerkennen: der kleine dünne Harold aus dem Kultklassiker „Harold und Maude“).

Problematisch ist nur, dass bei all der Ironie und Parodie die Figuren etwas zweidimensional bleiben, was die emotionale Seite des Vater-Sohn-Plots etwas auf der Strecke bleiben lässt. Zudemeskaliert die Handlung zum Schluss doch ein bisschen, aber das gehört bei Anderson halt dazu. Trotzdem ist es ein herrlicher Film voll von liebevollen Details, der sich selbst nie ganz ernstnimmt. Auch seine Vorbilder nicht: Nebenbei erklärt Zissou, dass Cousteau ein Lautsprechersystem für den Taucherhelm zur Unterwasserkommunikation entwickelt habe, sein Team jedoch benutztes, um unter Wasser Musik zu hören. In diesem Sinne: nicht zu ernst nehmen, sondern einfach genießen.

Quelle: Filmszene.de

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