Wie ein nicht enden wollender Strom breitet sich in den letzten Tagen eine rote, zähflüssige Masse in der Umgebung von Kolontar aus. Seit Montag versanken vier Ortschaften in dem hochgiftigen Schlamm, der aus dem Auffangbecken einer Aluminiumfabrik in West-Ungarn austritt.
„Der Wiederaufbau der Siedlungen ergibt keinen Sinn“, so der ungarische Premierminister Viktor Orbán. Der Politiker hatte das Katastrophengebiet besucht, das vermutlich über Jahre hinweg unbewohnbar sein wird. Die Bewohner der betroffenen Gebiete machten ihrer Wut und ihrer Verzweiflung unterdessen bei Orbans Ortstermin Luft: „Das ist ein totes Dorf, wer kann, soll hier wegziehen!“ und „Man sollte gleich mit Bulldozern anrücken und das Dorf dem Erdboden gleich machen!“ waren nur einige der Sätze, die der ungarische Regierungschef zu hören bekam.
Aluminium-Abfall verseucht Landstrich
Wie die Behörden inzwischen vermuten, brach am Montag aufgrund der anhaltenden Regenfälle der Damm eines Auffangbeckens der ortsansässigen Aluminiumfabrik, da das Fundament, das auf lockerem Tonboden errichtet wurde, durch die Wassermassen an Stabilität verloren hatte. Innerhalb weniger Minuten ergoss sich ein Strom von 1,1 Millionen Kubikmetern hochgiftigen Bauxit-Schlamms – ein Abbauprodukt bei der Gewinnung von reinem Aluminium – über insgesamt vier Ortschaften und begrub Menschen, Tiere, Fahrzeuge und Häuser unter sich. Bauxit-Schlamm ist mit hoch konzentrierter Natronlauge versetzt, die zur Spaltung des Aluminiums notwendig ist. Durch die Giftigkeit des Bauxits und die zersetzende Wirkung der Natronlauge wird es Jahre dauern, bis sich der Boden regeneriert hat.
Giftschlamm in der Donau angekommen
Durch die starken Niederschläge der letzten Tage sind die Giftstoffe inzwischen über das Grundwasser in die Bäche und Flüsse der näheren Umgebung gelangt. Am Zusammenfluss von Marcal und Raab fügen Einsatzkräfte dem Wasser ununterbrochen Gips und Kalk hinzu, um die toxischen Auswirkungen der beiden Chemikalien abzuschwächen. Nichtsdestotrotz wurde heute an der Mündung der Raab in die Moson-Donau – auch kleine Donau genannt – ein erhöhter pH-Wert festgestellt. Sprechern der staatlichen Katastrophenschutzbehörde zufolge sollen die schädlichen Substanzen allerdings inzwischen so weit verdünnt sein, dass eine Umweltgefährung „unwahrscheinlich“ sei. Der Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster hingegen bezeichnet den Austritt des Rotschlamms als eine der „drei schlimmsten Umweltkatastrophen, die Europa in den letzten 30 Jahren getroffen haben“.
Bevölkerung ohne Perspektive
Wie es für die Bewohner der betroffenen Dörfer weitergeht, steht bislang in den Sternen. Zwar wurde von der Regierung pro Person eine Soforthilfe von 350 Euro ausgezahlt, angesichts der verlorenen Existenzen erscheint diese Summe allerdings eher als ein schlechter Scherz. Auch ob die Betreibergesellschaft MAL für die entstandenen Schäden haftbar gemacht werden kann, ist bisher noch fraglich: Angaben der Zeitung „Pester Lloyd“ zufolge sollen die Aufräumarbeiten insgesamt bis zu 35 Millionen Euro kosten, das Unternehmen aber sei für solche Fälle nur bis zu einer Maximalsumme von 35.000 Euro versichert.
Quellen: Spiegel.de | Welt.de
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