Kommentar: Der Hitler als Werbeikone

Seit dem 19. Jahrhundert verzaubert das Wachsfigurenkabinett MadameTussauds Menschen in London. Nun eröffnete eine neue Filiale in Berlin – mit einer brillanten Werbestrategie.

Abstoßend und böse sieht er aus. Das Gesicht des Mannes, der Millionen von Menschenleben auf dem Gewissen hat, ist versteinert, blickt düster drein. Die Hand auf eine Mappe gelegt,daneben sein Hut mit dem Reichsadler. In einem dunklen Bunker sitzt er, an der Wand eine Landkarte Europas, die den Vormarsch der Roten Armee im Jahr 1944 zeigt.

Hitler und Stalin in einem Raum

Hitler ist wieder in Berlin. Die Wachsfigur des Diktators erregte bei der Eröffnung von Madame Tussauds in Berlin starkes Aufsehen. Die Presse, Politiker, ja ganz Deutschland stellte sich dieFrage: „Darf man Hitler als Wachsfigur ausstellen?“ Von Geschmacklosigkeit war die Rede, Lea Rosh, die Mitinitiatorin des Holocaust-Mahnmals in Berlin, forderte gar, Stalinneben Hitler in einen separaten Raum zu stellen. „Da sind dann die größten Verbrecher des vorigen Jahrhunderts drin“, so Rosh.

Susanne Keller, die Managerin des Wachsfigurenkabinetts verteidigt: „Wir zeigen hier keine politischen Statements.“ Man zeige nur die Zeit von Bismarck bis Merkel, dagehöre Hitler eben dazu. Also tummelt er sich in seinem Bunker unter Stars wie Brad und Angelina, Angela Merkel oder Romy Schneider im Sissy-Kostüm. Mit einem Unterschied: Hitler darf manweder fotografieren noch anfassen. Aus „Respekt gegenüber den Millionen Menschen, die während des zweiten Weltkriegs umgekommen sind“, so steht es auf der Tafel vordem Bunkerraum. Wieso man die Figur aus Respekt nicht einfach weggelassen hat, wird nicht erklärt.

Hitler als Werbefigur

Der Presse, die bereits zwei Tage vor der Eröffnung die Figuren betrachten durfte, war es natürlich erlaubt, Bilder vom Wachs-Hitler zu machen. Die Empörung, die sich durch Medien,Politik und befragte Experten zieht, ist vor allem eines: eine grandiose Werbung für Madame Tussauds in Berlin. Mit kaum einer anderen Figur hätte man so sehr die Aufmerksamkeit auf dieneue Filiale lenken können, vor allem in Deutschland. Die Erbsünde des Holocausts ist nach wie vor tief verwurzelt in den Köpfen der Deutschen.

„Nie wieder Krieg“

Vorerst hat sich das Thema Wachs-Hitler jedoch erledigt. Wie stark die Figur die Gemüter der Deutschen erregt, wurde klar, als am Samstag ein 41-jähriger Besucher dem Diktator den Kopfabriss. Der Zweite in der Schlange zur Eröffnung am Samstag schien wie ein normaler Besucher, bis er mit dem Ausruf „Nie wieder Krieg“ auf die Figur zuging, damit einenMitarbeiter verletzte und die 200.000 Euro teure Figur ihres Kopfes entledigte.

Bis auf unbestimmte Zeit ist Hitler im Madame Tussauds also nicht mehrzu sehen. Wer sich trotzdem einmal den Diktator in Wachs ansehen möchte, dem sei an dieser Stelle das Panoptikum in Hamburg empfohlen. Dort steht ebenfalls ein Wachs-Hitler, schon seit denSechziger Jahren. Zwar nicht ganz so düster, aufrecht stehend und mit Eva Braun im Hintergrund, dafür aber ohne Medienrummel und Sensationsgier.

Was meint ihr? Darf man Hitler in dieser Art und Weise ausstellen? Diskutiert in unseren Kommentaren!

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