Joscha Sauer – Der Schöpfer von Nichtlustig

Im Internet wimmelt es nur so von kreativen Köpfen, die mitVideos, Musik oder Texten versuchen, irgendwann einmal Geld zu verdienen. Joscha Sauer hat es geschafft: Von seinen Nichtlustig-Cartoonskann er mittlerweile gut leben. Wir haben den Cartoonisten interviewt.


Hallo Joscha!
Erzähl doch erst einmal, was du eigentlich genau machst.

Ich zeichne und schreibe Cartoons, mittlerweile schon seit acht Jahren. Damals habe ich als Zeitvertreib die Internetseite nichtlustig.de gestartetund dort meine Cartoones veröffentlicht. Daraus haben sich dann Figuren, Handlungen und Situationen entwickelt, die seit 2003 in Büchern bei Carlsen Comics erscheinen.

Wie bist du denn zu den Büchern gekommen?

Das Bedürfnis, Bücher zu machen, hatte ich von Anfang an. Als ich mit dem Cartoonzeichnen begonnen habe, war das noch ziemlich bizarrer Krempel, aber nach einigen Jahren habe ich mir eineMappe zusammengestellt, hab sie an Verlage geschickt und bin damit über die Frankfurter Buchmesse gelaufen, um zu einem Verlag zu kommen. Das hat nicht geklappt. Ich bekam nur Absagen, denn dieVerleger waren skeptisch und hatten kaum Interesse an Cartoons. Trotzdem habe ich mit der Internetseite weitergemacht und dann Ralph Ruthe kennengelernt, der mich bei Carlsen vorgestellt hat. VierMonate später kam dann die Zusage, dass sie ein Buch von mir verlegen wollen.

Wie bist du damals, als du nur die Internetseite betrieben hast, über die Runden gekommen?

Die Internetseite war ja eigentlich nur als Zeitvertreib gedacht und hat dementsprechend kein Geld eingespielt. Damals habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt und mir mit Auftragsarbeiten undMusikvideos ein wenig Geld verdient. Irgendwann kam dann das Internetportal „planet internet“ auf mich zu, es wolle jeden Tag einen Cartoon von mir auf ihrer Seite haben.

Damit habe ich dann wirklich Geld verdient und bin in meiner erste eigene Wohnung nach Berlin gezogen. Im Kampf um die UMTS-Lizenzen haben sich dann das Unternehmen, das planet internet geführthat, hoch verschuldet und das Portal wurde geschlossen. Damit war ich meinen Verdienst los, aber bald darauf kamen ja die Bücher.

Kannst du denn jetzt von den Büchern leben?

Ja, die Bücher verkaufen sich gut und sichern meinen Lebensunterhalt. Ich habe sogar genug Geld, mich um neue Projekte zu kümmern, beispielsweise den nichtlustig-Shop, den ich vor kurzemneu eröffnet habe. Carlsen kümmert sich zwar gut um das Verlegen der Bücher, aber darüber hinaus war ich nicht so zufrieden, deswegen habe ich mir die Rechte an meinerInternetseite zurückgeholt und sie vor kurzem neu gestartet. Außerdem arbeite ich gerade daran, meine Cartoons in Filme umzusetzen.

Wie kann man sich das vorstellen?

Ich stelle mir hier eher eine Serie vor als einen langen Film. Darin möchte ich verschiedene, wiederkehrende Charaktere verwenden, zum Beispiel die Lemminge, Herrn Riebmann und den Tod undseinen Pudel. Die erleben dann wie in den Büchern verschiedene Geschichten, die sich auch miteinander verbinden, zum Beispiel schmelzen die Yetis die Polkappen, wodurch es bei den Lemmingen eineÜberschwemmung gibt.

Wo wir gerade bei deinen Charakteren sind: Hast du eine Lieblingsfigur?

Nein, das kann ich nicht sagen. Dafür sind die Figuren nicht ausgefleischt genug. Nichtlustig funktioniert dadurch, dass es eine gute Mischung aus verschiedenen Charakteren gibt. Einer istanarchisch, der nächste niedlich. Nichtlustig ist die ganze Zirkustruppe, nicht eine einzelne Figur.

Wie bist du zu Herrn Riebmann, dem Mann in der Wand, gekommen?

Da gibt es tatsächlich eine kleine Geschichte dazu: Ein Freund von mir leistete damals seinen Zivildienst und hatte eine kleine Wohnung gestellt bekommen. Allerdings war er immer in Geldnot undhat überlegt, wie er diese gefühlten vier Quadratmeter vielleicht noch untervermieten könnte. Wir haben dann etwas rumgealbert, wo er überall noch Platz hätte – unter demSofa, im Kühlschrank; das ging nicht länger als zwei, drei Minuten. Aber die Idee hat in mir gebrodelt und so kam ich dann auf Herrn Riebmann, der in der Wand wohnt und seinem Nachbarn dasLeben zur Hölle macht.

Ich glaube auch, dass diese Figur am meisten polarisiert. Es gibt Leser, die finden ihn am besten, aber es gibt auch welche, die mit ihm überhaupt nichts anfangen können.

Was würdest du machen, wenn du keine Cartoons zeichnen würdest?

Das ist eine sehr theoretische Frage, aber ich denke, ich würde einen anderen Weg finden, die Ideen, die in mir liegen, zum Ausdruck zu bringen. Wahrscheinlich würde ich kleinen Liederschreiben oder Filme produzieren.

Woher nimmst du denn deine Ideen?

Die sind einfach da. Ich bekomme durch alles Ideen, vielleicht ist es auch eher eine gewisse Denkweise, die man hat. Kreativität ist für mich wie ein Muskel im Hirn, den man trainieren kannund das beste Training für ihn ist Arbeit.

Würdest du dich als Künstler bezeichnen?

Ja, eigentlich schon, aber das Wort Künstler ist so ein Stigmata. Unter dem Wort Künstler stellen sich die meisten jemanden vor, der toll malen oder zeichnen kann, bei Cartoons ist abermeiner Ansicht nach die Idee vorrangig. Ein Cartoon muss nicht toll aussehen, die Idee und der Witz dahinter müssen zünden, damit er funktioniert. Für mich ist jeder, der kreativarbeitet, ein Künstler, Stand Up Comedians beispielsweise auch. Wenn ich meinen Beruf angeben muss, schreibe ich meist Cartoonist oder Comiczeichner, damit kann ich mich mittlerweile gutidentifizieren.

Würdest du dich an Karikaturen herantrauen?

Nein. Karikaturen sind meist politisch oder an der Popkultur orientiert und das interessiert mich eher weniger. Karikaturen zu zeichnen würde mir auch keine Spaß machen. In die Welt, dieich mir mit Nichtlustig geschaffen habe, passen auch aktuelle Geschehnisse nicht hinein. Diese Welt hat wenig Bezug zur Realität, ich würde mit meinem Stil brechen, wenn ich Politik oderPopkultur dort verarbeiten würde.

Wie lang arbeitest du denn für einen Cartoon durchschnittlich?

Das ist unterschiedlich, aber in etwa zwei bis drei Stunden von der Idee bis zu dem Zeitpunkt, an dem er auf der Seite steht. Es kann aber auch Jahre lang dauern, bis sich eine Idee wirklich umsetzenlässt. Von meinen aktuellen Cartoons gibt es ein paar, die schon seit drei oder vier Jahren in meinem Skizzenbuch waren und die ich erst jetzt verarbeitet habe.

„Lagerst“ du deine Cartoons auch eine Weile, wenn sie fertig sind, oder werden sie gleich hochgeladen?

Normalerweise stelle ich sie sofort ins Netz, wenn sie abgeschlossen sind. Nur, wenn ich einmal Lust darauf habe, mehrere Lemminge zu zeichnen, kann es sein, dass ich sie noch ein paar Tage aufhebe,damit ich thematisch nicht zu gleich bleibe.

Wie lang arbeitest du dann durchschnittlich in der Woche?

Auch das ist sehr unterschiedlich. Momentan habe ich sehr viel zu tun, da das neue Buch fertig werden muss. Da stehe ich um sieben Uhr auf, mache etwas Sport und fange um zehn Uhr an zu arbeiten. Dasgeht dann bis 18 Uhr oder auch die ganze Nacht durch, je nach dem, wie gut es geht. Aber dann gibt es auch Wochen, in denen ich überhaupt nicht arbeite. Ich bin im Allgemeinen keinfleißiger Mensch, aber ich kann fleißig sein, wenn es darauf ankommt.

Man sieht auf Comicfestivals ja viele Mangafans in ihren Kostümen – Ist dir auch schon mal ein Fan im Lemmingkostüm gegenübergetreten?

Nein, das ist mir zum Glück noch nicht passiert. Meine Leser sind meist Leute, die sonst nicht so viel mit Comics zu tun haben. Darunter sind viele Studenten, aber beispielsweise auch Omas, dieNichtlustig von ihren Enkeln kennen. Meine Fans sind keine Fanatiker, es sind normale Leute, mit denen ich mich gut unterhalten kann. Wir haben eine gute Zeit zusammen.

Wie gut bist du mit anderen Zeichnern vernetzt?

Naja, es geht so. Der Kreis von Leuten, die das in Deutschland professionell machen, ist überschaubar und liegt etwa so bei 30 Leuten. Ich bin sehr gut mit Ralph Ruthe und Flix befreundet, mitdenen habe ich aber natürlich auch über den Beruf hinaus einen guten Kontakt.

Vielen Dank für das Interview!

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