Chinas Piloten proben den Aufstand

In Deutschland sind Streiks nichts Ungewöhnliches, in China hingegenschon. Anders als bei uns sind die Chinesen dabei jedoch höchst kreativ. Anstatt die Arbeit einfach niederzulegen, interpretieren die streikenden Piloten dort ihre Flugpläne etwas andersals eigentlich gedacht.

Sie arbeiten zu viel, zu lang und für zu wenig Geld. In China gehen die Piloten mehrerer Fluglinien derzeit auf die Barrikaden – mit höchst ungewöhnlichen Aktionen. Anfang April beganndas Ganze noch recht harmlos: Im Äther war das internationale Rufzeichen der Shanghai Airlines nicht mehr so häufig zu hören. Etwa 40 Piloten der Fluglinie hatten sich plötzlichkrank gemeldet. Nicht besser erging es der Inlandsfluggesellschaft East Star Air in Wuhan. Dort waren auf einen Schlag elf Piloten ans Krankenbett gefesselt. Verspätungen und Flugausfällewaren die Folge.

Ein paar Tage darauf erprobten 21 Piloten der staatlichen Gesellschaft China Eastern eine Streikart, die es bisher nirgendwo gegeben hat: Sie starteten zunächst ganz normal in Richtung ihrer Zielflughäfen. Auf halbem Wege drehten sie dann, sehr zum Erstaunen der Passagiere, unvermittelt um und kehrten zu ihrem Ausgangsflughafen zurück, wo die Passagiere dann wieder von Bord mussten. Damit war der Kreativität der Piloten jedoch noch kein Ende gesetzt. Als nächstes starteten sie zu ihren Zielflughäfen und landeten dort wie geplant. Noch auf der Landebahn drehten sie um und flogen wieder zu ihrem Ausgangsflughafen zurück. Da alle vom selben Flughafen gestartet waren, saßen dort zum Schluss über 1.500 Passagiere fest.

Streiks sind in China an sich schon eine Seltenheit. Das gilt insbesondere für die Luftfahrt. Sie wird von Unternehmen wie der China Eastern dominiert. Sie ist seit ihrer Gründung im Jahre 2002 zur drittgrößten Fluggesellschaft in China avisiert. Dass die chinesischen Piloten schon seit längerem unzufrieden sind, ist nichts neues. Obwohl die Piloten kürzere Strecken fliegen, verdienen sie trotz längerer Arbeitszeiten weniger als viele Kollegen. Ein weiterer Grund, dass es unter den chinesischen Piloten brodelt, ist, dass viele von ihnen wie Schuldknechte ein Leben lang an ihre Fluggesellschaft gebunden sind. Wer beispielsweise von einer staatlichen zu einer privaten Fluglinie wechseln will, muss sich für bis zu 200.000 Euro „freikaufen“.

Für die Regierung in Peking kommen die Vorfälle kurz vor den Olympischen Spielen denkbar ungelegen. Piloten sind quasi die Speerspitze der Angestellten Chinas, die am wirtschaftlichen Aufstieg stärker als bisher beteiligt werden möchten. Da auch die Inflation dramatisch steigt – Schweinefleisch hat sich um etwa die Hälfte verteuert – könnten bald auch andere Berufsgruppen ihr Heil außerhalb der staatlich gelenkten Gewerkschaften suchen.

Die Tatsache, dass die Piloten wahrscheinlich am längeren Hebel sitzen (allein in den letzten vier Jahren sind rund 20 neue private Fluglinien hinzugekommen), hat bereits für kleinere Erfolge gesorgt: Der KP-Chef der betroffenen Provinz ist als Reaktion auf den Streik entlassen worden. Gerüchte besagen weiterhin, dass die Gehälter der Piloten der Shanghai Airlines steigen sollen. Dann brauchen diese wenigstens nicht mehr reihenweise krank zu werden.

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