Angst vor weltweiten Hungersnöten

Rund um den Globus explodieren die Nahrungspreise. Dominique Strauss, Chef desInternationalen Währungsfonds, warnte vor den massiven Folgen der weltweit steigenden Lebensmittelpreise. Deutsche Politiker gaben ihm Rückendeckung.

Bei der Frühjahrskonferenz des Internationalen Währungsfonds (IWF)sprach Vorsitzender Dominique Strauss deutliche Worte: „Hunderttausende Menschen werden hungern müssen, Kinder werden an Mangelernährung leiden“, sagte er und bezogsich dabei auf die drastisch gestiegenen Lebensmittelpreise. Angaben der Weltbank zufolge sind die Preise für Nahrungsmittel in den letzten drei Jahren weltweit um 83 Prozent gestiegen. DiePreise für Weizen sogar um 181 Prozent.

„Es ist nicht nur eine humanitäre und wirtschaftliche Frage, sondern auch eine, die die Demokratie betrifft“

Die explodierenden Preise hatten in der vergangenen Woche in verschiedenenLändern zu massiven Unruhen geführt. In Ägypten gingen tausende Menschen auf die Straße, um gegen weitere Preiserhöhungen zu protestieren. In Haiti wurde am Samstag dieRegierung von Premierminister Jacques Edouard Alexis wegen der hohen Lebensmittelpreise gestürzt. Bei den eskalierenden Plünderungen kamen zahlreiche Menschen ums Leben, dutzende wurdenverletzt.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sprach in Washington von einem „Monster“, das die politische Weltbühne betreten habe. Auch die deutscheEntwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) forderte mit Nachdruck eine rasche politische Reaktion. Sie „betrachte die steigenden Lebensmittelpreise als eine Gefahrfür Wachstum, Armutsbekämpfung, Stabilität und Frieden in der Welt“. IWF-Chef Strauss stimmte ihr zu: „Es ist nicht nur eine humanitäre und wirtschaftlicheFrage, sondern auch eine, die die Demokratie betrifft“

Die Ursachen für den starken Preisanstieg sind vielfältig. Wieczorek-Zeulsieht einen der Hauptverursacher in der Biosprit-Strategie der Industrieländer. Der gezielte Anbau von Pflanzen, die sich als Kraftstoffe eignen, verdränge wichtige landwirtschaftlicheRessourcen. Die Welternährungsorganisation (FAO) macht zudem das rasante Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern China und Indien verantwortlich. Mit dem wachsenden Wohlstand steigtauch die Nachfrage nach Milch und Fleisch und erhöht den Bedarf an Getreide.

Das Problem betrifft vor allem die ärmsten Länder dieser Welt. Die Industrieländer sind nun gefordert, in den Entwicklungsländern Hilfe zu leisten. Die stehen wiederum in derPflicht, zukünftig mehr in die landwirtschaftliche Entwicklung zu investieren.

In Deutschland stiegen die Preise wie schon seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr

Auch in Europa sind die Auswirkungen der weltweit steigenden Nahrungspreise inzwischen spürbar. Wegen der wachsenden Inflationsraten demonstrierten in Kroatien zehntausende Menschen fürhöhere Löhne. Die Preise für Öl, Lebensmittel und Energie verursachen Schätzungen der Weltbank zufolge eine Inflation von sechs Prozent. Das ist der höchste Wert in denletzten zehn Jahren. Gewerkschaftsführer Kresimir Sever sprach bei der Kundgebung von einer „Kastengesellschaft“, die das kroatische Volk in „eine armeund eine reiche Kaste“ spaltet.

Selbst in Deutschland sind die Ausläufer der internationalen Preisexplosionen bemerkbar. Hierzulande stiegen die Preise wie schon seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Sollte sich dieserAnstieg auf die Verbraucher übertragen, würde das die nationale Inflation stark vorantreiben.

Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind die Großhandelspreise um 7,1 Prozentgestiegen. Das statistische Bundesamt in Wiesbaden spricht von der höchsten Teuerungsrate seit 26 Jahren. Die Ursachen liegen in einem dramatischen Anstieg der Lebensmittelpreise und derstetigen Verteuerung von Öl und Brennstoffen. Besonders Getreide, Saaten, Milchprodukte und Eier zogen bei den Preisen deutlich an. In Deutschland werden bereits 17 Prozent der Ackerflächefür nachwachsende Rohstoffe genutzt.

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