Seit zwölf Uhr am Mittwochmittag steht der Güterverkehr in ganzDeutschland still – vorerst bis Samstagmorgen um zwei Uhr. Am Donnerstagmorgen um zwei Uhr soll dann der Personen Nah- und Fernverkehr folgen.
Vor einem unbefristeten Arbeitskampf schreckt die GDL noch zurück. Die Bahn hat unterdessen auf stur geschaltet.
Mit Notfallplänen im Reiseverkehr will die Bahn dem Streik entgegenwirken. Im Güterverkehr gilt eine Annahmesperre von Gütern von und nach Ostdeutschland. Die Bahn meldet, dass dieErsatzfahrpläne zwei Drittel des normalen Personenverkehrs sichern würden. Auch im Nahverkehr sollen 50 Prozent aller Züge fahren – zumindest im Westen Deutschlands. Im Osten, wo dieGDL besonders viele Mitglieder hat, rechnet die Bahn damit, dass circa 90 Prozent aller Nahverkehrszüge ausfallen werden. Transportvorstand Norbert Bensel nannte die Streiks eine „Frechheit“. Der GDL sei der Wirtschaftsstandort Deutschland „völlig egal“, sie nehme eine „Wachstumsdelle für die deutscheWirtschaft“ in Kauf. Dennoch sei die Transportsparte der Bahn gut auf den Streik vorbereitet. Ziel sei eine „Minimalversorgung in den neuen Bundesländern“ und eine„Grundversorgung“ im Westen.
Kunden der Bahn können sich unter http://www.bahn.de/aktuell oder über die kostenloseInformations-Hotline 08000-996633 über die bestehenden Ersatzfahrpläne informieren. Allerdings war die Internetpräsenz der Bahn gar nicht oder nur mit sehr langen Ladezeiten zuerreichen.
Wie sich der Streik auf den Personenverkehr auswirken wird, wird sich im Laufe desDonnerstags zeigen. Es ist fraglich, ob die Bahn ihre Notfahrpläne zu 100 Prozent einhalten kann. Reisende und Pendler sollten sich deshalb früh nach Alternativen umschauen und auf langeWartezeiten und Verspätungen einstellen. Wir haben für euch das Wichtigste noch einmal kurz zusammengefasst:
Als Erstes einmal gilt: Ruhe bewahren und sich rechtzeitig vor Reiseantritt auf der Homepage der Bahn unter http://www.bahn.de/aktuell oder überdie kostenlose Informations-Hotline 08000-996633 über die bestehenden Ersatzfahrpläne informieren. Auf wapfähigen Handys kann man unter mobile.bahn.de/ris die Notfallpläne einsehen. Kunden aus dem Ausland können die Hotline unter 0049 1805 33 44 44 erreichen (Gebühren jenach Herkunftsland und Provider). Für den Kundenservice will die Bahn knapp 1.000 zusätzliche Mitarbeiter einstellen.
Bei Zugausfällen, Verspätungen oder deswegen verpassten Anschlusszügen können Reisende, nach Informationen der Deutschen Bahn, den nächsten,gegebenenfalls auch höherwertigen Zug nutzen. Sämtliche Zugbindungen bei Sparpreisen, dem Dauer-Spezial oder bei Gruppenfahrten werden somit aufgehoben.
Sollte man die Reise auf Grund von Zugausfällen und oder Verspätungen nicht antreten können, so kann man sich bis Ende November sein Ticket von der DeutschenBahn rückerstatten lassen. Zeitkarten werden anteilig und nur unter bestimmten Vorraussetzungen rückerstattet. In einzelnen Verkehrsverbünden, wie dem HVV in Hamburg, gelten jedocheigene Umtausch- und Erstattungsregeln. Entschädigung für Verspätungen gibt es von Seiten der Bahn nicht. Hierbei beruft sie sich auf höhere Gewalt – was unter Juristen allerdingsumstritten ist.
Wer nach Mitternacht noch auf einem Bahnhof festsitzt, dem zahlt die Bahn im Zweifel die Weiterfahrt mit dem Taxi oder eine Übehrnachtung in einem Hotel vor Ort.Entschieden wird dies dann aber vor Ort.
Sollte man auf Grund der Streiks sein Flugzeug verpassen, so ist man dafür selbst verantwortlich. Die Flugessellschaften haften grundsätzlich nicht für einenverpassten Flieger, da jeder Reisende selber schauen muss, dass er pünktlich am Flughafen ist. Wurde der Flug allerdings als Pauschalreise inklusive Zug-Zubringer gebucht, haftet derReiseveranstalter.
Dass der Chef nicht glücklich darüber ist, wenn man wegen des Bahnstreikes nicht oder nur mit Verspätungen zur Arbeit erscheint, ist klar. Er kann allerdingsfordern, dass die verlorene Arbeitszeit nachgeholt wird. Ein Kündigungsgrund ist dies aber auf keinen Fall. Am besten bereits vorher mit dem Chef sprechen, wie im Zweifelsfall verfahren werdensoll.
An sich klingen die Forderungen der GDL simpel. Eigenständiger Tarifvertrag für die rund 20.000 Beschäftigten und eine Gehaltssteigerung von bis zu 31 Prozent. Dass die 31 ProzentLohnseigerung utopisch sind, ist der GDL wohl bewusst. Man würde sich auch schon mit zehn bis 15 Prozent zufrieden geben. Aber nur, solange die Beschäftigten der GDL eineneigenständigen Tarifvertrag bekommen und genau da liegt das Problem.
Immer wieder hat sich Bahnchef Mehdorn auf die Tarifeinheit am Standort Deutschland berufen: „Mit dem Grundsatz der Tarifeinheit wird der Grundsatz bezeichnet, dass auf einArbeitsverhältnis und ein Unternehmen grundsätzlich nur ein Tarifvertrag anwendbar sein soll“ Bedeutet im Prinzip nichts anderes wie: gibt es mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb,so verhandeln diese gemeinsam. Doch die Lokführer fühlen sich von den beiden großen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA schon lange vernachlässigt. Ähnlich wie die Pilotender Vereinigung Cockpit, den Fluglotsen oder den Ärzten des Marburger Bundes wollen auch sie ihren eigenen Tarifvertrag und damit eine Bezahlung, die ihren Leistungen entspricht.
Doch ganz so einfach ist das nicht, wie Margret Suckale aus dem Bahnvorstand klarzumachen versucht: „Wenn wir anfangen würden, hier einer Gruppe einen eigenen Tarifvertrag zugeben, dann würden andere nachkommen. Ich denke da bei uns an die Fahrdienstleiter, an die Wagenmeister, an die Leute in der Instandhaltung, die Mitarbeiter in den Werken, im Service – jededieser Gruppen könnte einen eigenen Tarifvertrag beanspruchen. Und jede dieser Gruppen könnte auch die Bahn lahm legen, wenn sie dann für diesen Tarifvertrag streikenwürde.“
Es gibt genug Gründe, die für die Haltung der Bahn sprechen. Tatsächlich hat es in der Geschichte bereits eine ähnliche Entwicklung gegeben – in den 1970er Jahren in England.Hans-Werner Sinn, ifo Institut für Wirtschaftsforschung: „In England war es so, dass diese Berufsstandsgewerkschaften, die sie hatten, jeweils für ihre Teilgruppe desUnternehmens sehr hohe Löhne rausgeholt haben. Und jeder hat das so getan. Und da schaukelte sich das ganze System hoch, so dass dann die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Industrieverloren ging.“
Ähnliches befürchtet man auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland, insbesondere, da die Wirtschaft momentan einen seit langem nicht mehr dagewesenen Wirtschaftsaufschwung erlebt. Es sieht im Moment also alles danach aus, dass die Bahn ihren harten Kurs fortsetzen wird, auch, wenn dadurch die deutsche Wirtschaft durch einen wochenlangen Streik Schaden nehmen könnte.„Ich denke, der wochenlange Streik sollte riskiert werden. Es ist viel schlimmer für die Zukunft Deutschlands, wenn dieses Beispiel Schule machen würde. Das kann unterkeinen Umständen toleriert werden“, meint Hans-Werner Sinn.
Immerhin, weite Teile der Wirtschaft haben sich inzwischen mit dem nötigstenzur Produktion eingedeckt – ewig halten aber auch diese Vorräte nicht. Auf die Straße wird man nur einen Teil der Güter auslegen können, da Einiges schlicht und einfach nicht perLastwagen zu transportieren ist. Unterdessen reiben sich die Speditionen die Hände.
Ihre Lastwagen, vor allem im Osten, sind für die nächsten Tage ausgebucht und wer besonders klug war, hat sich woanders noch schnell ein paar zusätzliche Lastwagen besorgt. Fest steht,dass der Streik der Lokführer der deutschen Wirtschaft hohen finanziellen Schaden zufügt. Bis zu 120 Millionen Euro könnte der Streik täglich kosten, meinen Experten. Bis derZugverkehr wieder reibungslos läuft, dürfte das dann bis zu einer halben Milliarde Euro sein.
In den nächsten, nicht mehr ganz 62 Stunden, wird sich wohl zeigen, wie der Konflikt weitergeht. Bleiben beide Seiten nach wie vor stur, so können wir uns bereits ab nächster Woche aufStreiks zur Weihnachtszeit einstellen. Ob die Bahnführung allerdings dem wachsenden Druck aus Politik und Wirtschaft solange standhält, ist eine andere Frage, auf die zumindest ich keineAntwort weiß.
Quellen: Spiegel.de | mdr.de