Die EU-Kommission will die Energiekonzerne zerschlagen. Mit der Trennung von Netz undBetrieb sollen die Monopole großer Anbieter wie E.ON oder EnBW gebrochen und somit billigere Strompreise ermöglicht werden. Kritik kommt dabei vor allem aus Deutschland.
Am Mittwoch hat EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso angekündigt, die Zerschlagung der europäischen Energiekonzerne nun ernsthaft ins Auge zu fassen. Die Kommission einigtesich erst kurz zuvor auf den Entwurf einer entsprechenden Richtlinie. Dadurch soll den Nutzern von Strom und Gas in der EU ermöglicht werden, das für sie günstigste Angebot in einemstarken Wettbewerb „echter“ Alternativen auszuwählen.
In Deutschland teilen sich bisher die vier großen Energiekonzerne E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall Europe rund 80 Prozent des deutschen Energiemarktes, denen immer wieder eine Monopolisierung desMarktes vorgeworfen wird. Ihnen gehört außerdem das komplette Stromnetz im Land. Kleinere Anbieter müssen sich somit den oftmals teuren Zugang zu den fremden Netzen erkaufen, da sieüber keine eigenen Leitungen verfügen.
Das aus zwei Richtlinien sowie drei Verordnungen bestehende Paket sieht zwei Möglichkeiten der Netzbetreibung vor. Einerseits ist vorgesehen, dass die Konzerne ihre Leitungen zwangsweise an eineandere Firma verkaufen müssen, die sich dann um die Betreibung kümmert. Ist der Energiemarkt wie in Frankreich Sache des Staates, so soll eine unabhängige Betreibergesellschaftgegründet werden. Die andere Möglichkeit sieht die Gründung einer selbstständigen Stelle vor, die auch eine Tochterfirma sein kann. Diese soll dann die komplette Verwaltung derNetze übernehmen. So sollen die Konzerne zwar Netzeigentümer bleiben, eine Entscheidung über Investitionen stehe ihnen dann aber nicht zu.
Der Entwurf der Kommission trifft auf harte Kritik, vor allem aus Deutschland und Frankreich. Hier wurde erst vor kurzem die Entstehung eines neuen Energieriesen beschlossen (RauteMusik berichtete).
In Deutschland kommt die Kritik sowohl aus Politik als auch aus der Wirtschaft. Vor allem die betroffenen Konzerne selbst fühlen sich überrumpelt und werfen der EU Zwangsenteignung vor.Zudem sei durch die Zerschlagung eine Zunahme des Wettbewerbs noch lange nicht garantiert.
Auch die Bundesregierung zeigt sich nicht begeistert. Sie spricht von zu viel Bürokratie und erklärt das Ziel mit Verweis auf das Grundgesetz für unmöglich. AuchWirtschaftsminister Michael Glos (CSU) schimpft über „Zwangsenteignung“. Barroso entgegnet, dass keinem Unternehmen die Aktiva weggenommen werden sollen. VonZwangsenteignung könne also keine Rede sein. Zudem habe man in den 90ern bei der Liberalisierung des Energiemarktes die Verhinderung von Monopolbildungen verschlafen. Daher müsse jetztdringend gehandelt werden.
Bevor die Entwürfe der Kommission jedoch in Kraft treten können, müssen sie noch vom EU-Parlament und dem Ministerrat verabschiedet werden. Trotz des Widerstandes einiger Länderund der daraus entstehenden, scheinbaren Ausweglosigkeit hat die Kommission noch ein Ass im Ärmel. Es ist Neelie Kroes, die ihres Zeichens Wettbewerbskommissarin ist. Sie äußerte, dasssie die Neuordnung des Marktes unterstützen will. Für einen Erfolg hat sie die Dokumente der Unternehmens-Durchsuchungen griffbereit, die vor einiger Zeit von EU-Kartellbehördenbeschlagnahmt wurden. Sie sollen den Monopolmissbrauch eindeutig belegen. Sollten die Unternehmen bei ihrem Umbau also nicht selbst mithelfen, würden die Beweise ausreichen, um von denschlagenden Werkzeugen des Wettebewerbsrechtes Gebrauch zu machen.
Im Vergleich zu Großbritannien zeigt sich, was eine sinnvoll geregelte Liberalisierung des Energiemarktes bewirken kann. Dort sind die Preise für eine Kilowattstunde (kWh) Strom um rund 30Prozent niedriger als in Deutschland.
Quellen: Spiegel Online 1 & 2 | Zeit online