Neonazis in Israel verhaftet

Es klingt eigentlich nach Satire: In Israel wird eine Gruppe junger Männer wegenStraftaten mit antisemitischem Hintergrund verhaftet. Doch was nach einem besonders schlechtem Witz klingt, ist bitterer Ernst.

Bereits vor einem Monat nahm die Polizei eine Gruppe Neonazis in der israelischen Stadt Petah Tikwa fest, denen Gewalt gegenüber orthodoxen Juden und Ausländern vorgeworfen wird.

Einen Monat lang verhängten die Ermittler eine Nachrichtensperre. Jetzt aber berichtet der israelische Rundfunk offiziell von dem Fall: In Petah Tikwa, im Osten vonTel Aviv, wurden acht Jugendliche festgenommen, weil sie, über einen längeren Zeitraum hinweg, mehrfach orthodoxe Juden, Ausländer, Drogenabhängige und Homosexuelle angegriffenund Synagogen mit nationalsozialistischen Symbolen beschmiert haben sollen. Bei der Durchsuchung von Räumlichkeiten der mutmaßlichen Neonazi-Zelle fanden die Ermittler Messer, mitNägeln bestickte Bälle und sogar Sprengstoff.

Die verhafteten Jungendlichen, keiner von ihnen ist älter als 20 Jahre, stammen vermutlich aus Familien russischer Abstammung. Scheinbar hatten sie Schwierigkeiten sich in die israelischeGesellschaft zu integrieren, fühlten sich ausgegrenzt und projizierten ihren Frust darüber letztlich auf jüdische Symbole.

Viel erschreckender als die Tat und ihre Hintergründe ist aber vermutlich die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um einen Einzelfall zu handeln scheint. Es wird vermutet, dass es inzwischenmehrere hundert Neonazis in Israel gibt, die, teilweise in organisierten Zellen, Straftaten von Vandalismus bis zu schwerer Körperverletzung verüben. Die Zahlen dazu bewegen sich zwischen300 und 500 Fällen im Jahr, über die Dunkelziffer lässt sich nur spekulieren.

Es scheint, dass die meisten Fälle bisher verharmlost oder schlicht ignoriert wurden. Doch die jüngsten Verhaftungen zwingen die israelische Regierung zum Handeln. Innenminister MeirSheetrit erwägt ein Gesetz, mit dem verurteilten Neonazis die israelische Staatsbürgerschaft entzogen werden kann, was in letzter die Konsequenz die Abschiebung der Täterbedeutet.

Ob damit das Problem tatsächlich bekämpft oder gar gelöst wird, bleibt fraglich. Vielmehr zeigen die Vorfälle in Israel, dass gesellschaftliche Isolation die Brutstättefür rechtsradikales Gedankengut sein kann. Die bisher bekannt gewordenen Fälle von Antisemitismus in Israel scheinen größtenteils in Verbindung mit mangelnder Integration vonJugendlichen aus Familien mit Migrantenhintergrund zu stehen.

Besonders deutlich wird es im aktuellen Fall von Petah Tikwa: Eine Gruppe von Teenagern, die für sich keinen Platz und keine Zukunft in der Gesellschaft sehen, entlädt ihren Frust inantisemitischer Gewalt. Die schon fast grotesk anmutende Tatsache, dass diese jugendlichen teilweise selber jüdische Wurzeln haben, lässt Raum für die Vermutung zu, dass der politischeHintergrund nur eine nebensächliche Rolle spielt. Es handelt sich um unzufriedene, möglicherweise leicht zu beeinflussende Jugendliche, die einen Katalysator für ihre Unzufriedenheitsuchen – und genau auf dieser Suche werden sie von nationalsozialistischen Gruppen gefunden.

Das Konzept sollte also nicht Abschiebung lauten, sondern Perspektiven schaffen. In Israel und überall – auch in Deutschland.

Quellen: Spiegel online | Die Zeit online | N-TV online (1), (2)

Kommentieren