NPD-Verbot erneut im Gespräch

Nach einer Hetzjagd auf eine Gruppe indischer Mitbürger im sächsischenMügeln ist die Diskussion um ein NPD-Verbot erneut entfacht. Nachdem bereits vor einigen Jahren ein Verbot erfolglos blieb, will es Kurt Beck (SPD) noch einmal versuchen.

Viel Zustimmung erhielt der Vorsitzende der SPD am vergangenen Freitag allerdings zunächst nicht. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab in einer Warnung zu erkennen, dass ein weitererVersuch, die NPD zu kippen, vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern könnte. Im Jahr 2003 machte man schon eine unschöne Erfahrung, als das Verbot an Verbindungsleuten scheiterte, die vomVerfassungsschutz in die NPD eingeschleust wurden.

Nachdem dieser Vorstoß bereits scheiterte, ist es natürlich nicht verwunderlich, dass einige Parteien mit Skepsis reagieren. Doch Anlass zu einem erneuten Anlauf gaben die erneutenÜbergriffe rechtsextremer Nationalsozialisten im sächsischen Mügeln auf ausländische Mitbürger. Bislang ist zwar noch unklar, ob sich unter den Tätern auch Anhängerder rechtsextremen NPD befanden, für Kurt Beck ist eine erneute Überprüfung eines NPD-Verbots allerdings „unabdingbar“, wie er selbst gegenüber derLeipziger Volkszeitung sagte.

Am Montag lag der Vorstand der SPD ein Blatt vor, in dem sich die Sozialdemokraten klar für ein Verbot der NPD aussprechen. Dies soll auch auf dem kommenden Parteitag eingehend behandelt werden.Der Vizekanzler Franz Müntefering (SPD, Bundesarbeitsminister) spricht im Zusammenhang mit der NPD über „eine Schande für unser Land“. In der Tat hat derZuspruch für die NPD, zumindest auf Länderebene, immer mehr zugenommen, wenn auch zumeist in den neuen Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen erhielt die NPD einigeMandate für die dortigen Landesparlamente.

Andere Parteien übten gegenüber dem Vorstoß der SPD eher Skepsis als Zuversicht. Doch ganz abwegig scheint eine erneute Prüfung des NPD-Verbots doch nicht zu sein. Unterbestimmten Umständen, so der Staatsrechtler Ulrich Battis, sollen die Chancen auf ein erfolgreiches Verbot der NPD sehr gut aussehen: „Man müsste eine Klage völlig neubegründen und weniger Verfassungsschutz-Spitzel einsetzen als beim letzten Mal; sie dürfen jedenfalls nicht dominant sein“, sagte der Staatsrechtler gegenüber derMitteldeutschen Zeitung. Außerdem setzt er darauf, dass sich während den Vorbereitungen auf ein Verbotsverfahren auch der Senat des Verfassungsgericht neu ordnen könne. Neue Richterwürden unter Umständen anders entscheiden als im Jahr 2003, so Battis.

Unterstützung erhält Beck auch vom Juso-Bundesvorsitzenden Björn Böhning. Seiner Ansicht nach ist ein neues und seriös vorbereitetes NPD-Verbotsverfahren der richtige Weg.Außerdem müsse man der rechtsextremen Partei den politischen und finanziellen Nährboden entziehen, heißt es weiter. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) gibt demSozialdemokraten Rückendeckung. „Die rechte Szene wäre damit grundsätzlich handlungsunfähiger, sie verlöre das Schein-Gütesiegel, eine nicht verbotene,also eine demokratische Partei zu sein“, so der Vorsitzende Konrad Freiberg in der Leipziger Volkszeitung.

Von der Union kommen bislang allerdings mehrheitlich skeptische Stimmen in Richtung rotem Koalitionspartner. Von Seiten des Bundesinnenministeriums heißt es, dass man bei einem neuen Verfahrendie nachrichtendienstliche Beobachtung der NPD einstellen müsse. Doch gerade dies hält das Ressort von Wolfgang Schäuble nach wie vor für wichtig. FürBundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) steht ein solcher Vorstoß außerdem nicht auf der Tagesordnung.

Im Jahr 2003 scheiterte ein Verbotsversuch gegenüber der NPD, weil man sogenannte „V-Leute“ (Spitzel) eingesetzt hatte. Fraglich bei der Verwendung solcher Spione ist, ob diese in ihrer Funktionvielleicht nicht auch als Provokateure agieren. Zwar bestehe an der Tatsache kein Zweifel, dass die NPD verfassungsfeindlich ist und den Staat aggressiv bekämpft, so der Innenexperte WolfgangMosbach von der CDU, jedoch hält er für ein erfolgreiches Verfahren – im Gegensatz zu Staatsrechtler Battis – einen Abzug aller V-Leute für notwendig. Doch scheint ein Abzug allerV-Leute aus der NPD angesichts der Gefährlichkeit dieser Partei sehr riskant, so Bosbach. Außerdem gingen dann auch wichtige Informationen über die inneren Abläufe der Parteiverloren. „Deswegen bin ich gegenüber einem neuen Verbotsantrag sehr skeptisch“, so Bosbach.

1,4 Millionen Euro aus der Staatskasse für rechte Parolen

In einem Punkt sind sich allerdings alle Parteien einig. Während man sich über ein weiteres Verbotsverfahren streitet, herrscht Aufregung darüber, dass die NPD im Jahr 2006 aufgrundihrer Wahlerfolge rund 1,4 Millionen Euro aus der Staatskasse erhielt, was mehr als 40 Prozent ihrer Gesamteinnahmen darstellt.

Doch noch beunruhigender ist auch die Schattenseite der Medaille. Beck strebt zwar ein Verbotsverfahren an, was durchaus auch erfolgreich ausgehen kann, doch der Nährboden fürRechtsextremismus kann durch ein Verbot der NPD nicht ganz entzogen werden. Fremdenfeindlichkeit und Hass gegen Ausländern würde auch ohne NPD bestehen bleiben: „Wenn maneine Partei verbietet, gibt es deren Anhänger und ihr extremistisches Gedankengut immer noch“, sagte Wolfgang Bosbach. Die Universität in Leipzig konnte in einer Studie ermitteln,dass sich zur Zeit jeder sechste Deutsche nach einen Führer sehnt, jeder Vierte soll ausländerfeindlichen Parolen zumindest zustimmen.

Auch wenn sich die Union auf Bundesebene einig ist, so erhielt Kurt Beck aus Sachsen-Anhalt unerwartete Rückendeckung von Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU). Dieser stimmt einemerneuten Verfahren gegen die NPD zu und würde dieses auch unterstützen, sollten die Vorbereitungen sorgfältig verlaufen. Zugleich warnte er vor einem möglichen Scheitern:„Eine zweite Abweisung durch das Bundesverfassungsgericht wäre allerdings noch schlimmer als der jetzige Zustand.“

Quelle: N24 online

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