Erste Hochrechnungen sehen Erdogan als Sieger

Nach ersten Hochrechnungen, die anders als erwartet zwei Stunden früher alsgeplant veröffentlicht wurden, hat die konservativ-islamische AKP-Partei von Ministerpräsident Erdogan rund 50 Prozent der Stimmen geholt.

Nach der Auszählung von zwei Dritteln aller Stimmen führt Erdogans AKP mit 48 Prozent. Genug um weitere fünf Jahre alleine regieren zu können. Insgesamt waren 550 Parlamentssitze zu vergeben. Rund 43 Millionen der 74 Millionen Türken waren aufgefordert, ihre Stimme abzugeben. Eine der ersten Aufgaben des neuen Parlamentes wird sein, einen Staatspräsidenten zu ernennen. Dabei könnten jedoch wieder alte Konflikte auftreten. Ministerpräsident Erdogan hat bereits angekündigt, auch einen Kompromisskandidaten zu akzeptieren.

Schicksalswahlen in der Türkei? (22.07.2007, 18:00 Uhr)

Bei den Parlamentswahlen in der Türkei zeichnet sich eine Rekordbeteiligungab. Lokale Medien gehen von einer Beteiligung von über 90 Prozent aus. Vor den Wahllokalen bildeten sich noch vor Öffnung lange Warteschlangen. Dies deutet darauf hin, dass die meistenTürken annehmen, dass vom Ergebnis der Abstimmung vieles abhängt – vielleicht sogar die Zukunft ihres Landes.

Für den amtierenden Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan geht es bei dieser Wahl um alles. Bereits im Vorfeld hat der Politiker von der konservativ-islamischen AK-Parteiangekündigt sich bei einem Misserfolg aus der Politik zurückzuziehen. Als er heute in einem Istanbuler Wahllokal seine Stimme abgab, versuchte er gleichzeitig, die Ängste derBevölkerung vor einem Demokratieverlust zu zerstreuen. Die Demokratie werde vielmehr gestärkt aus den Neuwahlen des Parlamentes zurückkehren. „Dies wird nicht nur eineBotschaft für unser Land, sondern gleichzeitig für die Welt sein“, so der 53-Jährige.

Die bisherige Wahlbeteiligung deutet darauf hin, dass viele Bürger der Ansicht sind, dass es bei dieser Wahl um viel geht. Lokale Medien gehen von einer Wahlbeteiligung von über 90 Prozentaus. In vielen Großstädten kam es zu einem Verkehrschaos, der öffentliche Nahverkehr war stellenweise überlastet. Viele Wähler haben extra ihren Sommerurlaub unterbrochen,um ihre Stimme abzugeben. „Einige Dinge müssen sich ändern in der Türkei. Der stetige Rückschritt muss gestoppt werden. Deshalb sind wir heute hier zumWählen“, sagte ein 50-jähriger Türke bei der Stimmabgabe in Ankara. Nach Ansicht von Politikforschern würden viele Wähler gerne gegen die Partei vonMinisterpräsident Erdogan stimmen. Sie befürchten eine weitere Islamierung der Türkei.

Doch ist das wirklich das Ziel von Recep Tayyip Erdogan? An dieser Frage zerbrechen sich türkische und westliche Experten seit Wochen den Kopf. Fakt ist, dass der beliebte und charismatischePolitiker der Türkei einen rasanten Wirtschaftsaufschwung beschert hat und vor den Toren der Europäischen Union steht. Doch gerade in den Großstädten misstrauen sie demPolitiker – nicht zuletzt wegen seiner islamitischen Wurzeln. Die Richter und Generäle, die eine Trennung von Staat und Kirche befürworten, lehnen Erdogan und die AKP sowieso ab. Kritikerwerfen ihm vor, dass seit dem Beginn seiner Amtszeit Kinder verstärkt in Koranschulen geschickt werden. Die Republikanische Volkspartei (CHP), die Lieblingspartei des laizistischenEstablishments, gilt vielen als zu erstart und reformunfähig. Auch wird befürchtet, dass unter der Führung der CHP das Militär in den kurdischen Nordirak einmarschierenkönnte, um PKK Separatisten zu jagen.

Dass die Partei von Ministerpräsident Erdogan die meisten Stimmen auf sich vereinen wird, gilt als sicher. In Umfragen wurde ihr durchweg ein hoher Prozentsatz zugeschrieben. Da in derTürkei allerdings eine zehn-Prozent-Hürde gilt, hängen die Mehrheiten davon ab, wie viele Parteien es in das Abgeordnetenhaus schaffen. Nicht unwahrscheinlich ist, dass die AKP wenigerAbgeordnete stellt als bisher.

Die Neuwahlen waren fällig geworden, nachdem es Erdogn vor etwa drei Monaten nicht gelungen war, seinen Außenminister Abdullah Gül vom Parlament zum Staatspräsidenten wählenzu lassen. Nach Protesten und Drohungen des Militärs hatte das Verfassungsgericht auf Antrag der Opposition den ersten Wahlgang annulliert. Hunderttausende waren damals gegen die AKP Regierungauf die Straße gegangen. Das Militär hat damit gedroht zu putschen, falls die AKP weiter an Macht gewinnen sollte.

Erste Hochrechnungen werden etwa vier Stunden nach Schließung der Wahllokale, etwa um Mitternacht MEZ, erwartet.

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