Macht Fliegen krank?

Kommentar – weltweit sollen bereits über 500 Besatzungsmitglieder und Passagiere durch verunreinigte Luft erkrankt sein. Immer wieder wird darüber berichtet, dass Passagiere nach Flügen über ähnliche Symptome klagten. Das „Aerotoxische Syndrom“ macht wieder einmal die Runde.

Bereits seit Jahren geistern solche Berichte durch die Medienlandschaft, wie auch die letzten Wochen, nach einem Bericht des NDR, unter Berufung auf ein vertrauliches Dokument des Bundesverbandes deutscher Fluggesellschaften. Doch die Berichte werfen mehr Fragen auf, als konkrete Antworten zu liefern, denn erwiesen ist bis dato noch gar nichts. Weder gibt es eine wissenschaftliche Studie, die einen Zusammenhang zwischen giftigen Dämpfen und Erkrankungen von Kabinenpersonal nachweisen konnte, noch gibt es eine Bestätigung für ein „Aerotoxisches Syndrom“. Also alles nur Panikmache oder steckt mehr dahinter?

Hintergründe

Der Mensch muss atmen, das weiß jeder – so auch auf Reisen, die wir der Bequemlichkeit halber gerne mit dem Flugzeug unternehmen. In der Regel ist die Luft,die wir während eines Fluges einatmen, sauberer, als beispielsweise die Luft, die wir auf Arbeit oder auf der Straße einatmen. Die Luft, die wir während des Fluges konsumieren, wird in der Regel von den Kompressoren der Triebwerke abgezweigt. Dabei könnte es nach Angaben der Pilotengewerkschaft Cockpit zu Verunreinigungen durch Giftstoffe aus Triebwerksölen oder anderen Stoffen, die bei der Verbrennung entstehen,kommen. In Australien gibt es dahingehend ein rechtskräftiges Urteil, das einer Stewardess hohe Schadensersatzansprüche zugesteht, da sie angeblich durch Öldämpfe krank geworden sei. Auch in Deutschland laufen nach Angaben von Cockpit bereits mehrere Verfahren.

Nicht alle Menschen reagieren auf Stoffe gleich, wie uns aus dem Alltag bekannt sein dürfte. Die einen reagieren allergisch auf Pollen, andere auf Nüsse oder Tierhaare. In Flugzeugen werden viele verschiedene Stoffe verwendet, die auf dem einen oder anderen Weg in die Luft gelangen können. Naheliegend sind da zum Beispiel Reinigungsmittel oder Desinfektionsmittel. Desweiteren aber auch Stoffe wie Hydraulik- und Enteisungsflüssigkeiten, Regenschutzmittel, im Gepäckraum ausgelaufene Flüssigkeiten oder Gegenstände in den Gepäckabteilen über den Sitzen, welche zu einer Beeinträchtigung der Kabinenluft oder zu allergischen Reaktionen bei der einen oder anderen Person führen können.

Nach Erhebungen der australischen University of New South Wales waren im Jahre 1999 etwa 300 Flüge von Zwischenfällen mit giftigen Dämpfen oder Flüssigkeiten betroffen. Das entspricht etwa einem von 25.000 Flügen weltweit. Laut einem 2001 veröffentlichten Artikel hätten Piloten darauf hingewiesen, dass es in Flugzeugen durch Motorenöl und Hydraulikflüssigkeiten zu Verschmutzungen der Luft gekommen wäre. Also könnten solche Partikel in ausreichend hoher Konzentration vorliegen, um bei Besatzung und Passagieren „akute, unmittelbare und langfristige Symptome auszulösen“.

All diese Berichte beruhen allerdings auf einzelnen Beobachtungen und nicht auf einer systematischen Untersuchung. Deshalb ist fraglich, inwieweit man diese zu Rate ziehen kann und sollte.

Macht fliegen krank?

Ja. Nein. Vielleicht. Fakt ist, man kann es weder mit Bestimmtheit bestätigen, noch mit Sicherheit von der Hand weisen. Was man inzwischen allerdings sicher sagen kann ist, dass drei Dinge völlig unklar sind:

Wie hoch ist die Konzentration der angeblichen Gifte in der Kabinenluft?
Welche schädlichen Stoffe sind in ihr enthalten?
Gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen den Schadstoffen und den Erkrankungen?

Jegliche Versuche, eine dieser Fragen mit Bestimmtheit zu beantworten, sind bisher im Sande verlaufen. Fluggesellschaften, wie Condor, haben bereits in der Vergangenheit Messungen der Kabinenluft durchführen lassen und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass selbst, wenn Schadstoffe vorlagen, diese weit unterhalb jeglicher Toleranzwerte lagen. Das britische Verkehrsministerium hat deshalb veranlasst, die Luftbelastung bei Flugzeugen messen zu lassen. Die Datensammlung sei in diesem Jahr abgeschlossen worden und werde nun von unabhängigen Experten geprüft, bevor die Ergebnisse veröffentlicht würden. Ein genauer Termin hierfür wurde allerdings nicht genannt.

Der britische Luftfahrtmediziner Michael Bagshaw kam 2008 in einem Bericht zu dem Schluss, dass es das sogenannte „Aerotoxisches Syndrom“ nicht gibt. Laut Bagshaw ist nämlich die Hauptbedingung hierfür eine Reihe bestimmter Symptome, die konsistent zusammen auftreten, nicht gegeben. Die von Passagieren angeführten Beschwerden, wie etwa Herzrasen, Schwindel oder Übelkeit, könne man auch mit anderen Erkrankungen erklären. Sie können ohne Weiteres „bei 70 Prozent der Bevölkerung an jedem beliebigen Tag auftreten“, so Bagshaw. Auch die von Crewmitgliedern genannten, durchaus heftigeren Beschwerden, könne man genauso gut dem chronischen Erschöpfungssyndrom, chronischem Stress oder chronischer Hyperventilation zuordnen. Krankheiten, die in nahezu jedem Beruf auftreten können.

Quellen: Spiegel.de | DiePresse.com | Br-online.de | Focus.de

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