Wo sind all die Rentner in Japan hin?

Skandal im Land der Greise! Die japanischen Behörden forschen derzeit, wohin all die Pensionäre verschwunden sind. Dahinter dürfte ein sehr großer Rentenbetrug stecken, welcher nun aufgeklärt werden muss. Der Fund einer total verwesten Leiche letzte Woche brachte den Stein ins Rollen.

Vergangene Woche in Tokio: Es war zwar erschreckend, aber zunächst nichts Verdächtiges, als eine verweste Leiche im Tokioter Teil Adachi gefunden wurde. Erst nach Einsicht der Ausweispapiere wurden die Beamten stutzig. Bei dem Fund sollte es sich um den Rentner Sogen Kato handeln, der seit mehr als 32 Jahren nicht mehr gesehen wurde. Seine Familie gab damals an, dass er sich in sein Zimmer eingeschlossen habe um durch Fasten zu einem lebendigem Buddha zu werden.

Wenn Kato noch am Leben wäre, hätte er ein stolzes Alter von 111 Jahren, mit dem er auch bei der Stadtverwaltung und der zuständigen Rentenbehörde als ältester Mann Tokios registriert ist. Dem Zustand der Leiche nach zu urteilen, muss Sogen Kato aber höchstwahrscheinlich am Tag seines Verschwindens verstorben sein. Damals haben die Verwandten offenbar „vergessen“, den Tod zu melden. Die Rente wurde nämlich in all den Jahren immer pünktlich überwiesen.

Immer mehr Fälle werden aufgedeckt

In Japan wird die Privatsphäre sehr hoch geschätzt, daher stellen Beamte und Polizisten keine Fragen. Ansonsten wären mit Sicherheit schon wesentlich mehr ähnliche Fälle aufgedeckt worden. Durch eine Ummeldung aufmerksam geworden, fragten die Behörden etwas irritiert bei der Familie von Fusa Furuya nach – sie ist mit 113 Jahren die älteste Frau Tokios. Seit Jahren verkündete die Tochter, die Mutter sei bettlägerig und auch für offizielle Geburtstagsgratulanten nicht mehr ansprechbar. Während des Besuches der Beamten war die angeblich ans Bett gefesselte Frau aber auf einmal nicht mehr vor Ort, die 79-jährige Tochter teilte mit, die Mutter habe die gemeldete Adresse gewechselt und lebe vermutlich bei ihrem Bruder außerhalb von Tokio. Die Polizei, die nun richtig misstrauisch geworden war, wollte das Ganze überprüfen und stellte dann fest, dass es sich bei der angegebenen Adresse um ein Grundstück handelte, mit einem Haus, das seit Jahren leer stand.

Die Fahndung wurde jetzt eingeleitet und inzwischen gab die Tochter auch zu, ihre Mutter seit mehr als 20 Jahren nicht gesehen zu haben und auch nicht zu wissen, wo diese sich derzeit aufhalte. In die Angelegenheit wolle sie auch nicht hineingezogen werden – Rente wird die Dame jetzt bis auf weiteres nicht mehr beziehen. Statt wie sonst nicht nachzufragen, gehen die Behörden jetzt rigoros vor. Das zuständige Ministerium forscht nun gezielt nach den Aufenthaltsorten der Rentner.

In Japan sind mehr als 40.400 Menschen mit 100 Jahren oder älter registriert. Wegen dieser hohen Zahlen konzentriert man sich zunächst auf die mehr als 110-Jährigen, so Minister Akira Nagatsuma. Die neu aufgesetzte Liste „Unauffindbar“ wird nun von Tag zu Tag länger – am Freitag sprach man noch von 279 Vermissten. Wieviele es in der nächsten Woche sein werden, weiß noch niemand. Es werden aber nicht nur die Rentner überprüft, sondern auch die Sorgfaltspflicht der Behörden und Pensionskassen, um ausschließen zu können, dass diese ihre Aufgabe nicht vernachlässigen.
Das Ministerium rechtfertigte sich hier mit der Aussage, dass man dem Gemeinschaftssinn vertrauen würde und eben so lang gezahlt würde, bis eine Todesmeldung eingehe. Noch bis zum Jahr 2006 war es in Japan eigentlich so geregelt, dass regelmäßig der Rechtsanspruch bewiesen werden musste. Die aktuellen Fälle zeigen, dass eine Kontrolle besser gewesen wäre. Ein Verantwortlicher des Tokioter Bezirks Kita gab zu, dass diese Sitte auf Grund von Sparmaßnahmen vom Staat und die Weigerung der Anwohner Beamte in die Wohnungen zu lassen seit 2006 ausgestorben ist. Dass er die Rechnung dafür nun tragen muss, damit hat er nicht gerechnet: 93 Hundertjährige konnte er bis jetzt in seinem Viertel finden, 105 dagegen noch nicht. Hier kann man also davon ausgehen, dass der Rentenbetrug zu einem öffentlichem Skandal auswächst.

Quelle: DiePresse.com

Bild: (c) Muschelpupser / Piqs.de

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