Geht es nach den Plänen unseres Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble (CDU),wird der Überwachungsstaat, den George Orwell in seinem Roman „1984“ ausmalte, immer mehr Realität. Durch die gestiegene Terrorgefahr, die einige Politiker in Deutschland sehen, baut derStaat immer mehr auf Prävention.
Seit nun mehr als einem Jahr gibt es in Deutschland den elektronischen Reisepass (kurz ePass). Dieser enthält einen Chip, der neben dem Foto der Person auch bald einen Fingerabdruck gespeicherthaben soll. Einige CDU-Politiker planen nun, die hier erfassten Daten in eine Datenbank umzuwandeln, auf die die Polizei direkten Zugriff hat – ohne dabei kontrolliert zu werden.
In der Praxis könnte die Polizei dann bei den Passbehörden aufalle erfassten Personen zugreifen – direkt über das Internet und ohne Kontrolle beziehungsweise Genehmigung seitens der Behörden. „Bilder müssen für polizeilicheErmittlungen verwendbar sein“, meint dazu Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Schon heute können zur Aufklärung von Verkehrsordnungswidrigkeiten Aufnahmen, die zumBeispiel von Blitzanlagen stammen, mit digitalen Bildern verglichen werden – dieses Verfahren soll auf alle Straftaten erweitert werden.
Doch auch in der Politik finden solche Pläne längst nicht nur Befürworter. Vornehmlich aus den Reihen der SPD, Grünen und FDP wird Kritik laut. So meint unter anderem Klaus UweBenneter (SPD), dass das Register nicht in ein „Auskunfts- und Fahndungsdatei“ verwandelt werden dürfe. Viele andere wie beispiesweise Christian Ströbele(Grüne) sehen bei den Plänen verfassungsrechtliche Bedenken. Er glaubt, dass Wolfgang Schäuble der Illusion erlegen sei, dass „eine immer weiter gehendeÜberwachung der Bürger mehr Sicherheit bringt.“
Doch auch aus den eigenen Reihen gibt es für die Befürworter Gegenwind. Demnach findet es Peter Ramsauer (CSU) falsch, „mit der präventiven Keule allersicherheitstechnischen Mittel 82 Millionen Deutsche über einen Kamm zu scheren und jeden von vorneherein zu einem potenziellen Kriminellen und Sicherheitsrisiko zu stempeln.“ Zwar gebe esein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis in der deutschen Öffentlichkeit, doch dürfe dafür nicht „die letzten Ecken“ des Privatlebens zum Opfer fallen. Bei denPlänen von Schäuble und Beckstein muss er an Orwells Roman „1984“ und dem dort vom Staat praktizierten Verfahren denken: Sicherheit durch Ausforschen des Bürgers.
Auch Peter Schaar, Bundesbeauftragten für den Datenschutz, übtheftige Kritik an dem Vorstoß. Seiner Meinung nach wurde die Bevölkerung in der Vergangenheit unzureichend über die Pläne informiert: „Es wurde nicht dasGesamtvorhaben von vornherein bekannt gegeben.“ Gänzlich revidiert ist inzwischen die Aussage des Ex-Innenministers Otto Schily (SPD), wonach die auf den Reisepässen hinterlegtenbiometrischen Merkmale „ausschließlich auf dem Pass gespeichert sind.“
Laut Schaar sei die bisherige digitale Speicherung der Daten rechtens, doch sieht er die Problemtik eher bei der geplanten Vernetzung aller Daten. Wenn erst einmal dieser Vorgang beendet sei,würden nur noch neue Änderungen folgen. „Der nächste […] Schritt würde darin bestehen, die digitalen Gesichtsbilder mit Aufnahmen aus der Video-Überwachungzusammenzuführen und eine personenbezogene Zuordnung der aufgenommenen Personen vorzunehmen.“ Die Sicherheitsbehörden würden immer neuere, technisch realisierbare, Methodenverlangen.
Dass Günther Beckstein plant, ebenfalls Fingerabdrücke abrufbar zu machen, die nur in Fällen von „Schwerkriminellen“ verwendet werden sollen, hält Schaarfür einen echten Vertrauensbruch. Diesen Schritt könne man mit einer erkennungsdienstlichen Erfassung der Daten gleichsetzen – der erste Schritt, alle Bürger Deutschlands alspotenzielle Straftäter zu behandeln.
Daher sollten laut Schaar die bevorstehende Novellierung der Passgesetze noch einmal gründlich debattiert werden, damit klar werde, ob die angeblichen Vorteile, wie die Erhöhung derSicherheit, mit den Nachteilen, wie den Konsequenzen für die Bürgerrechte, im Einklang stehen.