Türkeifrage spaltet Regierung – Ein Kommentar

In der Türkeifrage ist nun innerhalb der Koalition ein offener Streitausgebrochen. Steinmeier gegen Merkel – einige in der Union drängen auf eine Revision der deutschen Haltung in der Türkeifrage und dabei begehen sie zwei entscheidende Fehler.

Eine erstaunlich lange Zeit konnte sich zumindest in Sachen Außenpolitik keiner zwischen Angela Merkel (CDU) und ihrem Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) drängen. Steinmeiertrug sogar die Annäherung zwischen der Kanzlerin und dem US-Präsidenten George W. Bush mit. Doch mit der Türkeifrage kommt zum ersten Mal etwas Feuer ins Spiel und das scheint in Augenvieler Parlamentarier kein Wunder zu sein. In keinem anderem außenpolitischen Thema steckt so viel innenpolitische Explosion drin, wie in der Türkeifrage um den EU-Beitritt.

Innerhalb der CDU nahm man zwar bei den Koalitionsverhandlungen dieWeiterführung rot-grüner Türkeipläne an, so ganz verdaut hatte man das aber anschließend dann doch nicht. Edmund Stoiber (CSU) und Roland Koch (CDU) fordern eine Revisionder deutschen Haltung gegenüber der Türkeipolitik, nachdem auch in der europäischen Politik eine ähnliche Debatte entflammte.

Dabei begehen die beiden Ministerpräsidenten, aber auch Angela Merkel selbst, zwei schwerwiegende Fehler: Zum Einen wird das Potential des Türkei-Themas für einen Wahlkampf völligunterschätzt, zum Anderen unterschätzen sie einen möglichen Schaden, der dadurch entstehen könnte.

Wolfgang Schäuble, ehemaliger und bester Unions-Außenminister zu Kohlzeiten und amtierender Bundesinnenminister, wies nicht umsonst darauf hin, dass erst am Ende der Verhandlungenüber einen Beitritt der Türkei in die Europäische Union entschieden wird. Schäuble hat scheinbar erkannt, welchen Stellenwert die Perspektive der EU für die Modernisierungder Türkei hat.

Wenn man Schäuble richtig interpretiert, heißt es im Klartext: Wenn esjetzt zu früh ist, darüber zu entscheiden, ob die Türkei in die EU aufgenommen werden soll, dann ist es mit Sicherheit auch zu früh, das Gegenteil davon zu entscheiden. Die Unionwäre also gut damit beraten, sich die Worte ihres ehemaligen Außenministers zu Gemüte zu führen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung Online

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