Die Spekulationen um mögliche neue Koalitionen brannten in denvergangenen Tagen immer wieder auf. Doch alle Parteien machten diesen Spekulationen inzwischen ein Ende. Ungeachtet dessen verhärten sich die Fronten im Streit um die Gesundheitsreform immermehr. Droht sogar ein Bruch der Koalition?
Die Parteispitze der SPD versicherte am Montag erneut, dass sie zu ihrem Koalitionspartner bis zum Ende der Regierungszeit 2009 stehe – und das obwohl die CDU momentan in einem Umfragetief versinkt.CSU-Chef Edmund Stoiber sieht durch den Streit über die Gesundheitsreform sogar die gesamte Koalition bedroht: „Wenn dieses Projekt scheitert, ist die Regierung zuEnde“, und das schon nach einem Jahr Regierungszeit. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Wolfgang Bosbach (CDU) verlangte von der SPD mehr Koalitionstreue. Man müsse sichaufeinander verlassen können. Zum Koalitionsfrieden trage nicht bei, „dass man tagsüber Treue schwört und abends mit anderen Parteien anbandelt“.
Die FDP hat inzwischen ihre Koalitionsofferte an die Sozialdemokraten zurückgezogen. Wenn die große Koalition scheitere, dann sind Neuwahlen die einzige Lösung, sagten ParteichefGuido Westerwelle und sein Stellvertreter Rainer Brüderle. Erst danach könne über die Bildung einer anderen Koalition gesprochen werden. Die gemeinsame Arbeitsgruppe der Koalition willam Dienstag erneut nach einer Einigung in den Streitpunkten der Reform suchen.
Die Gesundheitsreform: Das Ende der großen Koalition? – Ein Kommentar
Die große Koalition war für mich am Anfang ihrer Regierungszeit in gewisser Weise eine Hoffnung für Deutschland. Endlich arbeiten die beiden Volksparteien zusammen; eine gute Chance,Deutschland voranzubringen. Jetzt, kaum ein Jahr später, muss ich feststellen, dass sich die Parteien lieber gegenseitig behindern, anstatt etwas Gutes für Deutschland zu machen. Oderbesser gesagt, sie scheitern daran, dass sie nicht allzu kompromissbereit sind. Keine von beiden will von ihren Forderungen weichen und der deutsche Bürger zweifelt immer mehr an der Kanzlerinund der großen Koalition. Viele Bürger kommen sich, ähnlich wie die Bürger in Ungarn, belogen vor: Im Wahlkampf 2005 hat die SPD doch den Zustand Deutschlands in positivenBildern gemalt. Neue Zumutungen für den Wähler, wie zum Beispiel eine höhere Mehrwertsteuer, seien deshalb unnötig. Nach der Wahl wurde dann die Mehrwertsteuer mit Zustimmung derSPD doch um drei Prozentpunkte angehoben. Die CDU versprach im gleichen Wahlkampf, dass die Lohnnebenkosten sinken. Nun sollen also die Beiträge für die Krankenkassen steigen. Beides istmeiner Meinung nach nicht falsch, nur hätten sie es im Wahlkampf ehrlich darstellen sollen.
Fakt ist, dass wir Bürger von der Politik nicht mehr ernst genommen werden. Macht ist das Stichwort. Die ersten beiden Jahre einer Regierungszeit sind meist gefüllt von Reformen oderzumindest von den Versuchen einer Reform. Die nächsten zwei Jahre wird nur noch das Nötigste gemacht um dem Wähler nicht noch mehr weh zu tun. Man will ja schließlich wiedergewählt werden. Und jetzt gehen bereits nach einem Jahr Regierung die Umfragewerte in den Keller. Wohin soll das noch führen? Die Wahlbeteiligung ist schon bei den letzten Wahlen starkzurückgegangen. Wie wird das dann erst bei erneuten Neuwahlen werden? Die große Koalition darf nicht an der Gesundheitsreform scheitern. Aber dafür müssen sich alle Beteiligtenzusammenraufen und Entscheidungen für ganz Deutschland treffen und nicht nur für ihre 20 % Wähler. Vor allem muss die SPD einsehen, dass ein Sozialstaat, der fast alles zahlt, in derheutigen Zeit nicht mehr zeitgemäß ist, oder anders gesagt, einfach nicht mehr finanzierbar ist. Das Rentensystem wird in absehbarer Zeit kollabieren und auch das Gesundheitssystem mussdringend reformiert werden. Die Ansätze sind ja vorhanden. Aber ob sie wirklich gut durchdacht sind, wage ich zu bezweifeln. Deutschland braucht nicht nur den Versuch von Reformen, sondernReformen, die auch solche sind. Es muss dem Bürger und der Politik klar sein, dass diese schmerzhaft sein werden. Und wenn man versucht, sie so mild wie möglich zu machen, stehen wir inein paar Jahren wieder genau da, wo wir jetzt sind.
Ich frage mich, wann es endlich mal Politiker geben wird, die den Mut und die Courage haben, die nötigen Reformen ohne Eigennutz, sondern für Deutschland, durchzusetzen.