Nahostkonflikt: Frieden durch UN-Friedenstruppen?

Kaum hat Deutschland zugesagt die UN-Friedensmission im Süden des Libanon zuunterstützen, hagelt es von allen Seiten her Kritik für die politische Entscheidung. Nicht nur aus der Politik kommt Kritik, laut Umfragen lehnen auch die meisten Deutschen einen Einsatzder Bundeswehr in Nahost ab.

Ich will versuchen in dieser Kolumne etwas genauer auf die UNO und ihre Friedensmissionen und die Chancen einer solchen Mission für den Nahen Osten einzugehen.

Die Blauhelme: Wer sind sie überhaupt?

Die UN-Friedenstruppen oder auch Friedenstruppen der Vereinten Nationen, die umgangssprachlich als Blauhelmsoldaten bezeichnet werden, sind von den Mitgliedsstaaten der UNO bereitgestellte Militäreinheiten, die für friedenssichernde und -erhaltende Einsätze (engl. Peacekeeping), die unter dem Kommando der UNO stehen, eingesetzt werden.

Der erste Einsatz von unbewaffneten UN-Militärbeobachtern erfolgte im Jahre 1948 im Rahmen der United Nations Truce Supervision Organization (UNTSO) zur Überwachung des Waffenstillstands im 1. Arabisch-Israelischen Krieg.

Im Zuge der Suezkrise 1956 wurde mit der United Nations Emergency Force (UNEF) erstmals eine bewaffnete Einheit aufgestellt. Seither waren die Blauhelmsoldaten an rund 16 „peacekeeping“ Missionen beteiligt. Insgesamt verloren von den 64000 an diesen Missionen beteiligten Soldaten und Polizisten bis 2006 2272 ihr Leben. Die Meisten davon (116) aus Indien.

Grundsätze von Friedensmissionen

Ein Mandat zur Entsendung von Blauhelmen kann nur der UN-Sicherheitsrat erteilen. Ihr Auftrag umfasst dabei friedenssichernde und -erhaltende Maßnahmen (engl. peacekeeping). Ein friedenserhaltender Einsatz ist nur möglich, wenn beide Konfliktparteien diesem zugestimmt haben und gewillt sind, ihren Konflikt zu lösen. Diese Regelung soll verhindern, dass die Blauhelme zwischen die Fronten geraten und Teil des Konfliktes werden.

Einsätze zur Friedenserzwingung (peace-enforcement) werden im Allgemeinen nicht von der UNO, sondern von den Mitgliedstaaten durchgeführt.

Der Sicherheitsrat erteilt dazu einzelnen oder mehreren UNO-Mitgliedsstaaten ein Mandat für die notwendig erachteten Maßnahmen – dazu gehören auch militärische -, um den Frieden wiederherzustellen. Beispiele für derartige multinationale Einsätze unter UN-Mandat sind die KFOR im Kosovo, die ISAF in Afghanistan und die INTERFET in Osttimor.

Probleme und Kritik an den Missionen

Trotz guter Ansätze hagelt es regelmäßig Kritik an den UN-Friedensmissionen. Es hat sich als nicht effektiv herausgestellt, möglichst viele Mitgliedsstaaten in eine solche Friedensmission einzubinden. Unklare Befehlsstrukturen, Sprachbarrieren und mangelnde Zusammenarbeit (aus technischen oder menschlichen Unzulänglichkeiten) führten zu Desorganisation.

Deshalb sollten für einen effektiven Einsatz nur möglichst wenige Länder eingebunden werden. Ein weiteres Problem ist, dass kein Land gezwungen werden kann, sich an einer solchen Mission zu beteiligen. Es obliegt der politischen Führung der einzelnen Länder zu entscheiden, ob sie Truppen entsenden oder nicht.

Die Missionen der Blauhelme waren in der Vergangenheit nicht immer gut ausgegangen. 1992 in Somalia wo sich die Amerikanischen Streitkräfte nach kurzer Zeit wegen mangelnder Unterstützung und fehlendem Mandat wieder zurückziehen mussten. 1994 mussten die UN-Soldaten in Ruanda tatenlos zusehen wie mehrere tausend Menschen massakriert wurden, weil sie kein Mandat zum Eingreifen hatten.

Der Sicherheitsrat brauchte drei lange Wochen um auf diese Situation zu reagieren. Ähnliches passierte 1995 in der Stadt Srebrenica, die sich den bosnisch-serbischen Belagerern ergab. Die dort stationierten Blauhelmsoldaten waren auf Grund ihres Mandates nicht in der Lage die Zivilbevölkerung zu schützen. In der Folge dieser Ereignisse kam es zum Massaker von Srebrenica.

Die UN-Mission im Nahen Osten

Es gab bereits vier Missionen der UNO im Nahen Osten. Allein das zeigt uns schon wie schwierig die Lage dort unten ist. Die gestrige UNO-Geberkonferenz machte deutlich, dass es an Unterstützung für diese Mission fehlt. Bisher wurden nur rund 3500 Mann von den Mitgliedsstaaten bereitgestellt. Davon 2000 Mann aus Bangladesch und nur rund 200 Mann aus Frankreich. Dänemark, England und Deutschland stellen lediglich Überwachungsgeräte wie AWACS Flugzeuge und Schiffe; England einen seiner Stützpunkte auf Zypern. Des Weiteren bot die Bundesregierung an, Polizei und Einheiten des ehemaligen BGS zur Überwachung der syrisch-libanesischen Grenze zu stellen. Viele Staaten meldeten sich erst gar nicht zu Wort oder wollten erst das genaue Mandat abwarten, bevor sie Truppen stellen. Geplant war eigentlich eine bis zu 15000 Mann starke Truppe, die auch mit schwerem Gerät ausgestattet werden sollte.

Die Hohen Hürden der UN-Mission
  • 1. Entwaffnung
  • 2. Folgeresolution
  • 3. Akzeptanz
  • 4. Schutzzone
  • 5. Transport
1. Entwaffnung

Das Hauptproblem der auf bis zu 15000 Mann aufgestockten Schutztruppe für den Libanon wird die Entwaffnung der Hisbollah sein. Die UN-Resolution 1701 des Sicherheitsrats sieht vage vor, dass die Blauhelme die libanesische Regierung bei der Entwaffnung der Hisbollah unterstützen sollen.

Hisbollah Chef Hassan Nasrallah hat jedoch klargemacht, dass sich die Hisbollah um keinen Preis entwaffnen lassen wird. Die Entwaffnung der Hisbollah ist jedoch ein von Israel geforderter Punkt. Sollte dies nicht geschehen, hat Israel bereits mit einer Vorsetzung des Krieges gedroht. Im schlimmsten Falle wären dann jedoch 15000 UN-Soldaten mitten im Kampfgebiet; und Israel hat bei seiner jetzigen Offensive bereits aus versehen mehrere Blauhelmsoldaten getötet.

Dass die Soldaten die Hisbollah tatsächlich entwaffnen, gilt als ausgeschlossen. Frühere Missionen haben gezeigt, dass eine Entwaffnung nur Aussicht auf Erfolg hat, wenn die Waffen freiwillig abgegeben werden.

2. Folgeresolution

Aus Diplomatenkreisen ist verlautet worden, dass man in UN-Kreisen bereits an einer Folgeresolution arbeitet, in der das genaue Mandat der erweiterten UN-Mission niedergeschrieben werden soll. Dort wird dann auch festgelegt sein welche Aufgaben die Soldaten im Einzelnen übernehmen sollen, wo genau sie stationiert werden und welche Regeln für den Waffeneinsatz („rules of engagement“) gelten.

Dabei wird das Hauptproblem sein, ob die Truppe das Mandat erhält, die Hisbollah zu entwaffnen oder nicht.

„Darüber wird es einen großen Streit geben“ sagte ein Regierungsvertreter. Ein US-Vertreter räumte ein: „Wir sind Realisten. Keine internationale Truppe wird gezwungen werden können, die Hisbollah mit Gewalt zu entwaffnen.“ Wahrscheinlich ist, dass es den Kommandanten vor Ort obliegen wird, diese Entscheidung selbst zu treffen.

3. Akzeptanz

Ein weiteres Problem im Nahen Osten ist die Akzeptanz der Blauhelmsoldaten. Das Problem an sich ist nicht neu, aber bei dieser Mission von entscheidender Wichtigkeit. Experten befürchten, dass die Hisbollah und schiitische Libanesen die internationale Truppe als Besatzer verstehen könnten und sie deshalb angreifen. Auch in Israel gibt es Bedenken gegen die Truppe, so wurde verlautet, dass die Truppe nur aus Staaten bestehen darf mit denen Israel diplomatische Beziehungen unterhält. Generalsekretär Kofi Annan will aber möglichst viele Islamische Staaten mit im Boot haben, um den Rückhalt der Truppe in der islamischen Welt zu stärken.

4. Schutzzone

Offen ist auch noch der Umfang der geplanten Pufferzone zwischen Israel und dem Libanon in der die Blauhelmsoldaten als „Puffer“ fungieren sollen. Im Gespräch ist ein Streifen, der etwa 20km weit in den Libanon hineinreicht. Eine Nichtigkeit, wenn man bedenkt, das die Hisbollah über Waffen mit einer Reichweite von 200 km und mehr verfügt. Die Bedrohung für Israel bleibt also weiterhin real. Es ist des Weiteren unklar, ob es die Truppe schaffen wird den Waffennachschub an der Grenze zu Syrien zu unterbinden.

5. Transport

Um die Soldaten nicht unnötig in Gefahr zu bringen, benötigt eine Truppe für den Libanon schweres Gerät. Nicht nur um sich einen Weg über die zerstörten Brücken bahnen zu können, sondern auch um einigermaßen sicher vor etwaigen Hinterhalten ihren Aufgaben nachgehen zu können. Die Truppe wird in ein Gebiet entsandt in dem eine radikale bewaffnete Gruppe das Sagen hat.

Aber das Verlegen von entsprechenden Panzerfahrzeugen kostet viel Zeit, da man sie nicht einfach im Flugzeug transportieren kann. Für eine Verlegung von Panzern zum Beispiel. Aus Deutschland muss man mit mindestens zwei Wochen rechnen. Realistisch sind aber drei Wochen und mehr. Auch die bereitgestellten Schiffe benötigen ihre Zeit bis sie die Region erreichen.

Experten rechnen deshalb damit, dass eine Truppe für den Libanon vor Ende September unrealistisch ist. Vorauseinheiten wären denkbar, aber ohne richtiges militärisches Gerät ausgestattet, können sie so gut wie nichts ausrichten.

Frieden im Nahen Osten durch eine UN-Friedenstruppe? Ein Kommentar

Es müsse jetzt schnell gehen, machte der stellvertretenden Uno-Generalsekretärs Mark Malloch Brown gestern klar. Es herrscht aber noch das Problem, dass man nicht genau weiss, ob die angebotenen Truppen die richtige Zusammenstellung für diesen Einsatz haben. Die vorerst benötigte Truppenstärke habe man zwar, aber trotzdem können politische, militärische und logistische Probleme die Aufstellung der Truppe noch hinauszögern.

Soweit die Fakten. Eines ist jedoch klar: Eine Friedenstruppe, deren Ziel es nicht sein wird die Hisbollah zu entwaffnen, kann den Konflikt im Nahen Osten nicht lösen! Die Hisbollah hat durch den Konflikt mit Israel Land gewonnen. Ihre Aussagen, den Wiederaufbau des Libanons mit allen Mitteln zu unterstützen, bringt ihr Sympathien ein. Die Mittel werden aus dem Iran und Syrien kommen – zusammen mit neuen Waffen für die Hisbollah. Auch wenn die Blauhelme die Grenzen des Libanon überwachen werden, werden sich Schlupflöcher für Waffentransporte finden. Des Weiteren kann es da unten keine militärische Lösung geben.

Die Lösung des Konfliktes muss politischer Natur sein. Der Libanon spielt bei dem Grundkonflikt, um den es immer noch geht, nur eine Nebenrolle. Der eigentliche Problemherd ist in den letzten Wochen in den Hintergrund geraten. Es geht immer noch um die Palästinenser. Dort liegt nämlich die Lösung des Konfliktes. Sowie es den Palästinensern gut geht, und die Ressourcen dort unten fair verteilt sind sollte der Konflikt zuende sein. Dazu gehört auch ein eigener palästinensicher Staat. Vor diesem neuen Krieg waren im Prinzip alle Weichen für eine politische Lösung gestellt. Die faktische Anerkennung des Staates Israel durch die Hamas, der Rückzug der Israelischen Armee aus den Palästinenser gebieten und die Aufgabe der Umstrittenen Israelischen Siedlungen, dann die Entführung dreier israelischen Soldaten, danach ein Überschlagen der Ereignisse. Ehe man überhaupt richtig wusste, was eigentlich los war, hatte Israel einen Zwei-Fronten-Krieg begonnen.

Die internationale Staatengemeinschaft konnte nur tatenlos zusehen. Alle Forderungen die Kampfhandlungen einzustellen wurden ignoriert und Israel zerstörte weiter die Infrastruktur des Libanon. Die Industrie ist lahmgelegt, die aufstrebende Tourismusbranche, die sich auf ein Rekordjahr mit Besuchern aus den Golfstaaten eingestellt hatte, liegt in Trümmern. Der Weideraufbau wird schwer werden. Der Gesamtschaden beläuft sich nach unterschiedlichen Schätzungen auf etwa sieben bis elf Milliarden Euro. Bis zu acht Milliarden Euro sind durch indirekte Schäden wie etwa durch Produktionsausfälle oder die Gewinnausfälle im Tourismusbereich zu befürchten.

Dadurch, dass viele libanesische Unternehmen ruiniert sind, könnte die Arbeitslosenquote schnell die 20 % und mehr erreichen. Die Hisbollah wird sich freuen und das Ganze zu Propagandazwecken ausschlachten. Aber es gibt auch „positive“ Aspekte: Das Bankwesen hat den Krieg ohne größere Probleme überlebt. Saudi Arabien und Kuwait haben insgesamt 800 Millionen Dollar Soforthilfe zugesagt. Auch im Libanon selbst haben reiche Geschäftsleute und Unternehmer angekündigt, zwölf der 80 zerstörten Brücken auf eigene Kosten wieder aufzubauen.

Die ganze Hoffnung ruht im Moment auf der Baubranche. Neue Häuser und Wohnungen müssen ebenso gebaut werden wie neue Brücken und Verkehrswege. Der Libanon braucht jetzt vor allem internationale Hilfe. Man muss den Menschen ein Zeichen geben, dass der Krieg nicht wieder aufflammen wird, dass endlich Frieden in der Region herrschen wird. Das wird aber nicht passieren solange Israel weiter macht, was es will. Die Vormachtstellung Israels im Nahen Osten muss ein Ende haben. Es muss ein gemeinsames Miteinander von Palästinensern und Israelis möglich werden. Dazu bedarf es Zugeständnisse beider Seiten, aber vor allem Israels.

Die einzige Lösung für den Nahen Osten (und das ist nicht nur meine Meinung) besteht in einer Zwei-Staaten-Lösung und Wiedergutmachung Israels. Erst wenn es allen Ländern um Israel herum gut geht, wird in der Region Frieden herrschen. Doch bis dahin ist es, fürchte ich, noch ein weiter und sehr steiniger Weg, den der Nahe Osten zurücklegen muss. Das schaffen sie allerdings nur mit Hilfe von anderen Ländern, die auch mal einsehen müssen, dass nicht nur die anderen die Bösen sind, sondern auch Israel selbst mal in seine Schranken gewiesen werden muss.

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