20 Jahre Tschernobyl – Eine Chronik der Katastrophe

Es passierte um 01: 24 Uhr am Morgen des 26. April im Jahre 1986. Block Vierdes Kernkraftwerkes von Tschernobyl explodiert während eines Tests. Später wird klar: Dieser Unfall ist auf grobe Verstöße gegen Sicherheitsvorschriftenzurückzuführen.

Alles begann mit einem gescheiterten Test in Block Drei des Kraftwerkes. Ziel war es zu testen, ob bei einem Stromausfall die Auslaufenergie des Generators ausreichte, um die Zeit bis zum Anspringender Dieselgeneratoren zu überbrücken. Dieser Test soll nun am 26. April 1986 in Block Vier wiederholt werden. Das Nachfolgende ist eine Chronik der Ereignisse die von 1986 bis heutestattfanden.

25. April 1986, 01: 00 Uhr: Für eine Routineabschaltung des Reaktors in Tschernobyl soll zunächst die Leistung von 3200 MW auf die dafür üblichen 1000 MW reduziert werden.

25. April 1986, 13: 00 Uhr
: Auf Anweisung des Lastenverteilers in Kiew wird die Leistung bei 1600 MW stabilisiert.

25. April 1986, 23: 50 Uhr
: Die Leistung wird weiter gesenkt.


(Der Reaktor von Tschernobyl)
26. April 1986, 00: 28 Uhr: Die neue Mannschaft, die um 24 Uhr ihren Dienst angetreten hat, schaltete die automatische Reaktorregelung bei 500 MW ein. Durch einen Bedienfehler wurde ein Wert nicht eingestellt, und dadurch sinkt die Leistung bis auf etwa 30 MW ab.

26. April 1986, 00: 32 Uhr
: Durch die Leistungsabsenkung erhöhte sich die Konzentration des Isotops Xenon-135, welches für die Kernspaltung benötigt wird, im Reaktorkern. Die Folge war ein weiterer Leistungsabfall. Als die Bedienmannschaft die Leistung durch Ausfahren der Regelstäbe wieder erhöhen wollte, erreichten sie nur einen Wert von 200 MW, was etwa 7 % der Nennleistung entsprach. Laut Vorschriften war ein Betrieb des Reaktors unter 20 % nicht zulässig und obwohl sich nicht genug Regelstäbe im Kern befanden, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten, wurde der Reaktor weiter betrieben.

26. April 1986, 01: 05 Uhr
: Um das Schließen verschiedener Turbinenventile zu simulieren, wurden weitere Kühlmittelpumpen in Betrieb genommen. Dadurch floss mehr Kühlmittel durch den Reaktor und die Leistung sank weiter. Daraufhin wurden weitere Regelstäbe ausgefahren, um die Leistung zu stabilisieren.

26. April 1986, 01: 19 Uhr: Der Reaktor war in einem sehr instabilen Zustand und alle Parameter hätten zu einer sofortigen Notabschaltung des Reaktors führen müssen! Da jedoch alle Warnanzeigen überbrückt wurden, um eine Notabschaltung zu verhindern, kommt es nicht dazu.

26.April 1986, 01: 23 Uhr: Der eigentliche Test beginnt. Um die Auslaufleistung des Generators zu messen, wird das Haupteinlassventil der Dampfturbine geschlossen. Die Reaktortemperatur steigt an.

26. April 1986, 01: 23: 35 Uhr: Der Schichtleiter löst die manuelle Notabschaltung des Reaktors aus. Alle 250 ausgefahrenen Regelstäbe werden gleichzeitig eingefahren. Durch die Konzeption des Reaktors bedingt, führt dies zu einem enormen Anstieg der Reaktivität im Reaktor.

26. April 1986, 01: 23: 43 Uhr: Der Reaktor überschreitet eine Leistung von 5500 MW. Kühlmittel verdampft großflächig.

26. April 1986, 01: 23: 44 Uhr: Der enorme Anstieg der Reaktivität führte zu einer Kettenreaktion, bei der die Leistung von 3200 MW innerhalb von Millisekunden um das Hundertfache überschritten wurde.

26. April 1986, 01: 23: 45 Uhr: Durch die Hitze verformten sich die Kanäle der Regelstäbe so, dass diese nicht weit genug eindringen konnten um ihre volle Wirkung zu entfalten. Leitungen wurden zerstört und es kam zu einer Reaktion, bei der Wasserstoff in großen Mengen entstand. In Verbindung mit dem Luftsauerstoff bildete sich Knallgas, welches nur Sekunden nach der „nuklearen Explosion“ explodierte. Es ist bis heute unklar, welche Explosion zum Abheben des über 1000 Tonnen schweren Reaktordeckels geführt hat. (Bild: Der Reaktor nach der Explosion)

26. April 1986, 01: 23: 47 Uhr: Der Reaktor wird im oberen Bereich zerstört.

26. April 1986, 01: 24: 00 Uhr: Das im Reaktor als sogenannter Moderator verwendete Graphit fängt sofort Feuer. Glühende Teile werden aus dem Reaktor geschleudert. Da auch das nur als Wetterschutz gedachte Dach zerstört ist, entweicht radioaktives Material sofort in die Atmosphäre.

26. April 1986, 03: 00 Uhr: Eine zweite Explosion erschütterte den Reaktor.

26. April 1986, 05: 00 Uhr: Die Brände außerhalb des Reaktors waren weitgehend gelöscht. Block Drei des Kraftwerkes wird abgeschaltet.

27. April 1986, 01: 13 / 02: 13 Uhr: Die Blöcke Eins und Zwei wurden abgeschaltet. Es wurde damit begonnen, den Reaktor mit Blei-Bohr-Sand und Lehm zuzuschütten, um die Freisetzung radioaktiven Materials zu verringern und das brennende Graphit im Kern abzudecken.

28. April 1986, 11: 00 Uhr: Nachdem in einem dänischen Kernkraftwerk eine erhöhte Strahlendosis gemessen wird, gibt die Sowjetische Regierung um 21:00 Uhr den Unfal in Tschernobyl bekannt.

6. Mai 1986: Die Freisetzung radioaktiven Materials ist nahezu unterbunden.

Juni 1986: Es wird damit begonnen, den Reaktor mit einem Stahlbetonmantel zu umgeben.

1986-1987: Eine 30km Sperrzone wird um Tschernobyl errichtet. Alle in ihr lebenden Menschen werden umgesiedelt.

Oktober 1991: Block Zwei des Kraftwerkes wird entgültig abgeschaltet.

November 1996: Block Eins wird endgültig abgeschaltet.

Dezember 2000: Block Drei wird endgültig auf Druck der EU hin abgeschaltet.

26. April 2006, 01: 24: 00 Uhr: Überall in der Ukraine läuten die Glocken und erinnern an den Tag vor exakt 20 Jahren. In Kiew werden Gedenkgottesdienste abgehalten.


(Der Reaktor, umhüllt mit einem Sakropharg)

Der Unglücksreaktor mit Betonmantel in Tschernobyl machte uns schlagartig klar, was für Gefahren in der Atomenergie stecken. Auch in Deutschland waren wir von dem radioaktiven Fallout betroffen, besonders in Süddeutschland. Die ausgetretene Radioaktivität sammelte sich in Wolken und wurde so über 1000km weit transportiert.

Bis heute sind keine genauen Operzahlen bekannt. Es steht jedoch fest, dass die Explosion selbst 32 Todesopfer forderte. Über 580.000 Sowjetbürgern wurde bescheinigt, dass sie unter den Folgen der Katastrophe leiden. Eine Fläche von über 200.000km² ist verseucht. Das ganze Ausmaß der Katastrophe ist immer noch nicht vollständig ermittelt. Es ist nach wie vor unklar, wie viele Menschen auch heute noch unter den Folgen der Explosion leiden.

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