Unruhen, Demonstrationen, Raubüberfälle und Terrorgefahr. Die internationalen Sorgen im Vorfeld der WM in Südafrika waren und sind immer noch enorm. Doch woher kommt eigentlich die Gewalt in Südafrika und sind die Probleme um die Sicherheit während der WM wirklich so gravierend?
Nur noch wenige Tage bis die erste WM in Südafrika offiziell startet. In den vergangenen Wochen haben wir bereits über die Unterkunft der deutschen Nationalmannschaft, die WM-Stadien sowie über Vuvuzelas berichtet. Im letzten Artikel bevor der Sport endgültig in den Mittelpunkt unserer Berichterstattung rückt, will ich ein paar Worte über das große Thema Sicherheit während der Veranstaltung verlieren.
Bereits im Vorfeld waren die Nachrichten, die wir vom afrikanischen Kontinent erhalten haben, nicht immer in einem positiven Licht zu sehen. Wir erinnern uns ein paar Monate zurück, als während des Afrika-Cups bei einem Anschlag auf das Nationalteam von Togo drei Menschen starben und weitere verletzt wurden. Wir müssen uns ernsthaft mit der Frage befassen, ob wir auch in Südafrika mit Anschlägen auf Spieler, Stadien und Fans rechnen müssen.
Südafrika bei Verbrechen weltweit auf Rang eins
Die Sicherheitslage in Südafrika war die letzten Jahre alles andere als rosig. Kein Wunder also, dass Südafrika weltweit die höchste Verbrechensrate hat. In keinem Land der Welt sterben pro Jahr so viele Menschen wie am Kap. Nirgendwo auf der Welt ist die Vergewaltigungsrate so hoch wie in Südafrika. Seit Ende der Apartheid 1994 wurden in Südafrika mehr als 420.000 Menschen getötet und über 650.000 Vergewaltigungen registriert. Schätzungen zufolge liegt die Dunkelziffer aber um bis zu 20-mal höher. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die Chance für eine Frau einmal in ihrem Leben vergewaltigt zu werden höher ist als lesen zu lernen.
Einerseits verzeichnet Südafrika nachweisbare Erfolge im Kampf gegen die Kriminalität (Rückgang der Morde um 8,5%, der Körperverletzungen um 31,4% und der Raubüberfälle um 38,0% ), andererseits aber einen Anstieg der Sexualverbrechen um 8,2% und der Drogendelikte gar um 86,9% in den letzten sechs Jahren. Für uns Europäer klingen die Zahlen astronomisch und wir sind zu Recht entsetzt darüber. In Südafrika sieht man diese Probleme eher gelassen. Schulterzuckend nehmen die Bewohner die hohen Verbrechensraten hin. Man hat sich wohl inzwischen einfach daran gewöhnt. Die Regierung spricht sogar von Wahrnehmungsproblemen, und schweigt das Thema so gut wie es geht tot.
Die Folgen
Die Folgen der hohen Verbrechens und auch Armutsraten sind enorm. So ist die Lebenserwartung in den letzten Jahren um 20 auf gerade einmal noch 48 Jahre gesunken. Vor allem in den Städten sieht man den Unterschied zwischen Arm und Reich am deutlichsten. Inzwischen leben fast alle wohlhabenderen Menschen in Compounds genannten Vororten. Diese Wohnviertel besitzen ihre eigene Infrastruktur mit Geschäften, Schulen und Freizeiteinrichtungen. Für Sicherheit sorgen private Wachdienste, die die komplett hoch eingezäunten Viertel rund um die Uhr bewachen. Ein Leben im (relativ sicheren) Käfig.
In starkem Gegensatz dazu stehen die Townships, in denen die weniger reichen und vor allem armen Menschen leben. Eine Mischung aus „Ghetto-artigen“ Strukturen und Slum, die oft die Ausmaße ganzer Städte erreicht. Auch 16 Jahre nach Ende der Apartheid leben dort fast ausschließlich farbige Südafrikaner. Trotz positiver Entwicklungen in den letzten Jahren ist dort der Lebensstandard auch heute noch sehr niedrig und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Ein ganz großes Problem des Landes. Im Jahr 2004 waren offiziellen Schätzungen zufolge etwa 21,5% der südafrikanischen Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren mit dem Virus infiziert. Eine der höchsten Quoten weltweit.
Die Hintergründe
Die Hintergründe der Probleme in Südafrika sind vielfältig. Das Hauptproblem stellen allerdings mit Sicherheit immer noch die Folgen der Apartheid dar. Auch 16 Jahre nach deren Ende ist die Kluft zwischen Arm und Reich riesig. Es gibt wenige, zum großen Teil weiße Reiche, fast keine Mittelschicht und viele arme Menschen am Kap. Hinzu kommt, dass in Südafrika Gewalt seit Jahrhunderten gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern sogar befürwortet und als normales Zeichen von Männlichkeit betrachtet wird. Inzwischen spiegelt sich diese allerdings hauptsächlich in häuslicher Gewalt wieder und wird direkt an die Kinder weitergegeben, für die das dann irgendwann nichts Besonderes mehr ist.
Ein weiterer Grund ist mit Sicherheit auch die hohe Arbeitslosigkeit, welche Landesweit bei etwa 24,20 % (Stand 2008) liegt, sowie eine Inflationsrate von etwa 12% (Stand 2008). Kein Wunder also, dass vor allem unter der jungen Bevölkerung eine gewisse Perspektivenlosigkeit herrscht.
Die (aktuelle) Sicherheitslage am Kap während der WM
Rund 41.000 Sicherheitskräfte sollen während der WM für Sicherheit an den neun Spielorten sorgen. Dazu kommen noch weitere Polizeikräfte aus den insgesamt 32 Teilnehmerländern, die aber hauptsächlich für eine reibungslose Kommunikation mit den Fans sorgen sollen. Nach wie vor ist Korruption eines der größten Probleme der südafrikanischen Sicherheitskräfte. Trotzdem blicken die Verantwortlichen zuversichtlich in die Zukunft. „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine sichere WM austragen werden“, sagt Südafrikas Polizeichef Bheki Cele. Man sei bereit, „mit jeder Eventualität fertig zu werden“.
Trotz aller Zuversicht und Vorbereitungen gibt es immer noch genug Dinge, die schief gehen könnten. Eine größere Gruppe alkoholisierter Fans zur falschen Zeit am falschen Ort und es könnte durchaus zu größeren Unruhen kommen. Unter anderem auch deshalb sollen die Fans so weit irgendwie möglich von Polizeikräften auf dem Weg von und ins Stadion eskortiert werden. Nach dem Mord an dem Rechtsextremisten Eugene Terreblanche im April wurden zudem Befürchtungen laut, dass es während der WM durchaus zu Rassenunruhen kommen könnte. Zudem war im Vorfeld auch von groß angelegten Streiks und Demonstrationen die Rede. Zu guter letzt hat angeblich auch das Terrornetzwerk Al Kaida ein Auge auf die WM geworfen, wie es aus irakischen Sicherheitskreisen hieß.
Ob nun tatsächlich etwas passiert, oder ob das durchaus berechtigte Gerede um die Sicherheitslage im Vorfeld am Ende nur heiße Luft war, kann man nicht abschließend beantworten – zumindest nicht im Vorfeld. Einerseits brodelt es hinter den Kulissen, andererseits ist auch, je näher die WM kommt, eine wachsende Euphorie in der Bevölkerung zu spüren. Experten rechnen sogar damit, dass mit Beginn der Meisterschaften die Kriminalität, zumindest in den Spielorten, merklich zurückgehen wird.
Das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft in Pretoria sind allerdings nicht so optimistisch eingestellt. Sie empfehlen nach wie vor die Innenstädte von Johannesburg, Pretoria, Durban und Kapstadt nach Geschäftsschluss ebenso zu meiden wie Fahrten mit Vorortzügen oder Township-Besuche ohne ortskundigen Führer. Man solle darüber hinaus „unbelebte Gegenden meiden“ und auf keinen Fall bei Überfällen Widerstand leisten. Hoffen wir, dass sich die Fußballfans aus aller Welt an diese „Verhaltensregeln“ halten, und wir eine friedliche und tolle erste WM in Afrika in Erinnerung behalten werden.
Quellen: Wikipedia.org | Spiegel.de | Auswärtiges Amt | ipicture.de
Bilder:
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